Brüsseler Informationstagung
Bereits zum 45. Mal fand am 9. und 10. November 2016 die Brüsseler Informationstagung des FIW statt.
Zum Auftakt der Veranstaltung trafen sich am 9. November 2016 Tagungsteilnehmer und Repräsentanten der Europäischen Kommission und des Europäischen Parlaments zu einem gemeinsamen Abendessen.
Der fachliche Teil der Tagung schloss sich am 10. November 2016 an. Dr. Horst Satzky, Geschäftsführendes Mitglied des FIW-Vorstandes, begrüßte die Referenten, Moderatoren und Teilnehmer. Folgende, von ihm und den Herren Alexander Israel, Noerr LLP, Professor Dr. Kai-Uwe Kühn, Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des FIW, sowie FIW-Geschäftsführer, Niels Lau, moderierten Vorträge wurden gehalten:
Die “brave new world” der elektronischen Durchsuchungen
Verkürzen „e-dawn raids“ die angestammten Verteidigungsrechte der Unternehmen?
Dr. Ellen Braun, LL.M., Partnerin, Allen & Overy, Hamburg
Frau Dr. Braun stellte die Herausforderungen dar, die die inzwischen sowohl auf nationaler wie auch auf europäischer Ebene regelmäßig praktizierte „e-search“ im Rahmen von Dawn-Raids für die Verteidigungsrechte von Unternehmen mit sich bringt. Ein wirksamer Rechtsschutz gegen „Fishing Expeditions“ und die Beschlagnahme von Daten, die nicht mit dem vorgeworfenen Kartell in Zusammenhang stehen, ist in der Mehrzahl der Fälle nicht gegeben. Die Unternehmen sollten hier selbst proaktiv tätig werden, beispielsweise durch eine übersichtliche Datenstruktur und die Anpassung der internen „Dawn Raid Preparedness“ Richtlinien an die jeweils geltende Rechtsordnung.
“Disclosure” im Kartellschadensersatzrecht nach der 9. GWB-Novelle
Christopher Rother, Partner, Hausfeld Rechtsanwälte, Berlin
Herr Rother beleuchtete die Regelungen zur Offenlegung von Beweismitteln und Akteneinsicht in Kartellschadensverfahren nach dem Regierungsentwurf zur 9. GWB-Novelle und verglich sie mit der geltenden Rechtslage und den Vorgaben der EU-Kartellschadensersatzrichtlinie.
Navigating a Mega-Merger in 2016 (INTERVIEW)
Ben Graham, Global Legal Director Competition, Anheuser-Busch InBev
Philippe Chappatte, Partner, Slaughter and May, London
Herr Chappatte interviewte Herrn Graham, der von der kürzlich abgeschlossenen großen Fusion zwischen Anheuser-Busch Inbev und SAB Miller berichtete. Der Zusammenschluss der beiden weltweit tätigen Brauereikonzerne wurde bei über 20 verschiedenen Kartellbehörden angemeldet und in Rekordzeit abgewickelt. Herr Graham berichtete von den Herausforderungen der Fusionsanmeldungen in den USA, der EU, Südafrika, Südamerika und China. Eine Besonderheit der Übernahme lag darin, dass die Konzerne oftmals bereits vor der Anmeldung Unternehmensanteile veräußerten, um Wettbewerbsbedenken von vornherein auszuschalten.
ECN Plus – faciliating a coherent enforcement in Europe?
Anna Vernet, Stv. Abteilungsleiterin „European Competition Network and Private
Enforcement“, Generaldirektion Wettbewerb, Europäische Kommission
Alexander Israel, LL.M., Partner, Noerr LLP, Brüssel
Frau Vernet präsentierte die Ergebnisse der im Winter 2015/2016 durchgeführten Konsultation der Kommission zur Stärkung der nationalen Kartellbehörden. Die Konsultation befasste sich mit den Themenblöcken „Ermittlungsinstrumente der Kartellbehörden“, „Verhängung effektiver Bußgelder“, „Effektive Kronzeugenprogramme“ sowie „Unabhängigkeit und Ressourcen der Kartellbehörden“. Aufgrund der Konsultationsergebnisse werde die Kommission voraussichtlich im 2. Quartal 2017 legislative und nichtlegislative Maßnahmen ergreifen („ECN +“ Paket).
Herr Israel stellte eine Wunschliste aus Anwaltssicht vor. Zu den geäußerten Wünschen gehören eine Weiterentwicklung des ECN Kronzeugenmodells, ein One-Stop-Shop oder zumindest Markersystem für Kronzeugenanmeldungen, einheitliche Standards für die Verhängung von Bußgeldern sowie eine Mindestharmonisierung der Untersuchungsbefugnisse der nationalen Kartellbehörden.
Neue EU-Richtlinie zum Leitungsschutzrecht?
Dr. Georg Nolte, Senior Legal Counsel, Google Germany GmbH, Hamburg
Professor Dr.Thomas Höppner, Technische Hochschule Wildau
Herr Dr. Nolte berichtete von den Erfahrungen mit dem in Deutschland und Spanien bestehenden Leistungsschutzrecht für Presseverlage. Die europäischen Vorschläge gingen über das deutsche Leistungsschutzrecht weit hinaus und sind aus Sicht von Herrn Dr. Nolte nicht erforderlich, da es weder eine Schutzlücke noch ein Marktversagen gebe.
Herr Prof. Dr. Höppner sprach sich für ein europäisches Leistungsschutzrecht für Presseverleger aus, wie von der Europäischen Kommission in Art. 11 des Richtlinienentwurfes zum Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt vorgeschlagen. Verleger benötigten die Vermarktungshoheit über die digitale Verwertung ihrer Erzeugnisse. Genauso müsse die Entscheidung, ob ein Aggregator einem Verleger nütze oder nicht, allein beim Verleger liegen.
Aktuelle Entwicklungen in der europäischen Fusionskontrolle
Ulrich von Koppenfels, Case Handler, Generaldirektion Wettbewerb, Europäische
Kommission
Herr von Koppenfels gab einen Überblick über bedeutende Fusionskontrollentscheidungen des vergangenen Jahres und berichtete über aktuelle Trends und Herausforderungen. 2016 habe es einen starken Zuwachs an Notifizierungen gegeben, die erstmals wieder über den Anmeldezahlen von 2008 lagen. Neben Fusionen in industriellen Märkten hat die Kommission insbesondere auf den Telekommunikationsmärkten wichtige Zusammenschlussvorhaben geprüft. Eine Priorität der Kommission bleibt die Evaluierung des Reformpotentials der FKVO, zu der aktuell eine Konsultation durchgeführt wird.
(Durch Klick auf den jeweiligen Referentennamen öffnet sich die hinterlegte Präsentation).