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D
FIW
Symposion
Rede
Bundeskartellamt
Mundt

Anlässlich des 54. FIW-Symposions am 10. März 2021 (im virtuellen Format) ging Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts, in seinem Vortrag auf zwei Themenkomplexe ein. Zum einen gab er einen Einblick in die „Werkstatt des Bundeskartellamts“ unmittelbar nach der GWB-Novelle. Zum anderen gab er seine ersten Eindrücke zum Digital Markets Act (DMA) und dessen mögliche Begleiterscheinungen wieder. 

Mundt führte aus, dass beide Initiativen (D und EU) in dieselbe Richtung gingen. Er streifte kurz einige erfolgreiche Verfahren des Bundeskartellamts gegen Big Tech-Unternehmen. Gerade das Facebook-Verfahren verdeutliche exemplarisch, so Mundt, dass die Verfahren in der digitalen Ära schneller geführt werden müssten. 

Deutschland habe mit der 10 GWB-Novelle und der Einführung des § 19 a GWB (neu) den Fokus auf digitale Ökosysteme gelegt mit dem Ziel, die Märkte offen zu halten. Das Bundeskartellamt habe mit der Eröffnung eines Verfahrens nach § 19 a GWB gegen Facebook (Oculus) äußerst schnell nach Inkrafttreten der GWB-Novelle reagiert. Die zwei erforderlichen Schritte nach § 19 a GWB, d.h. die Identifizierung eines Unternehmens mit überragender marktübergreifender Bedeutung sowie die Untersagung von bestimmten Verhaltensweisen, könnten auch in einem Schritt erfolgen. Für die Adressatenstellung würden viele Faktoren betrachtet. So sei es wichtig, die Bedeutung eines Unternehmens für den Marktzugang und die Beteiligung Dritter richtig zu erfassen. Man müsse sich von einer marktbezogenen Auslegung lösen und zu einer übergreifenden unternehmensbezogenen Betrachtung gelangen. Das Bundeskartellamt verfolge einen holistischen Ansatz dahingehend, dass die im Gesetzestext genannten Faktoren nicht abschließend seien; sie müssten stark miteinander verknüpft werden. 

Marktbeherrschung sei kein notwendiges Kriterium, allerdings werde man in der Praxis sicherlich zunächst oft Fälle mit einer marktbeherrschenden Stellung aufgreifen. Hinsichtlich der finanziellen Ressourcen eines Unternehmens sei entscheidend, wie diese eingesetzt würden, um ein Ökosystem abzusichern oder zu erweitern. Vertikale Integration würde die vertikalen und konglomeraten Aktivitäten auch auf verbundenen Märkten zum Gegenstand haben. Die Bewertung von Daten beleuchte, inwieweit Daten eine bedeutende Ressource für die Bildung und Verstärkung von Ökosystemen bildeten. 

Bei Verhaltensmaßnahmen gehe das Bundeskartellamt im Vergleich zu den EU-Initiativen einen zukunftsgerichteten Weg. Die Ausformung der Verhaltensweisen in Form von Generalklauseln mit Regelbeispielen sorge für mehr Flexibilität als der DMA. Die Umkehr der Darlegungs- und Beweislast werde die Verfahren genauso beschleunigen, wie die Festlegung des Bundesgerichtshofs als erste und letzte Instanz. 

§ 19 a GWB sei untrennbar verbunden mit den Überlegungen zum DMA. Allerdings seien der Wortlaut anders und der Adressatenkreis nicht ganz identisch. So beziehe sich der DMA bei der Normadressatenstellung auf quantitative Kriterien. Mundt fragte, ob dies der richtige Ansatz sei. Man müsse achtgeben, dass nicht zu viele Unternehmen vom DMA erfasst würden und der DMA nicht überschießend wirke. Unterschiedlich sei auch das Designierungsverfahren selbst. So sei die Vermutung für die Gatekeeper-Stellung widerleglich, was wiederum zu Einzelfallprüfungen führe. Unterschiedlich sei auch, dass die Verhaltensweisen einen abgeschlossenen Katalog darstellten, der nur Unternehmensstrategien aus der Vergangenheit erfassten. Der ebenfalls vorgesehene Anpassungsmechanismus könne zeitaufwändig sein. Es bestehe nach Ansicht Mundts keine Notwendigkeit, die Verhaltensweisen als abschließenden Katalog zu fassen. § 19 a sei insofern flexibler. 

Ungeklärt sei das Verhältnis von DMA und Wettbewerbsrecht. Die Anwendung des DMA führe unweigerlich zu Überlappungen mit Art. 101 und Art. 102 AEUV. Weiter ungeklärt sei das Verhältnis von DMA zur Durchsetzung nationalen Rechts seitens der nationalen Wettbewerbsbehörden. Mundt sprach sich dafür aus, dass § 19 a GWB und die EU-Gesetzgebung komplementär sein sollten. Es wäre zielführend, wenn die nationalen Wettbewerbsbehörden ihr eigenes Wettbewerbsrecht stringent anwenden könnten. Weiter sei die Rolle der nationalen Wettbewerbsbehörden noch offen hinsichtlich der Durchsetzung des DMA. Es müsste auch als erstes geklärt werden, welche Generaldirektion auf EU-Ebene zuständig sei. Mundt zufolge sollte die Designierung als Gatekeeper einheitlich durch die EU-Kommission erfolgen, während die Durchsetzung der Verhaltensverbote und -gebote auch dezentral über die Mitgliedstaaten erfolgen könne und sollte, um das spezifische Wissen der nationalen Wettbewerbsbehörden nutzen zu können. 

Mundt ging schließlich auf einige Neuerungen der GWB-Novelle ein. Die Leitlinien für die Bußgeldzumessung würden vom Bundeskartellamt überarbeitet werden müssen, da die Bußgeldzumessung jetzt in das Gesetz aufgenommen worden sei. Die Vortat-Compliance sei nach dem Entwurf des Unternehmensstrafrechts in Form des Verbandssanktionengesetzes ausgestaltet worden, wonach „angemessene und wirksame Vorkehrungen“ honoriert werden sollten. Die Umsetzung werfe noch einige Fragen auf. Sei die Leitungsebene eines Unternehmens (offen blieb, ab welcher Hierarchiestufe) bei einem Kartellverstoß beteiligt, könne eine Compliance-Defence jedoch in keinem Fall greifen. 

Die Änderungen in der Fusionskontrolle hätten das Bundeskartellamt weiter entlastet. Die Anhebung der beiden Inlandsumsatzschwellen werde einen Rückgang der Fallzahlen von mehr als 40 Prozent zur Folge haben. Gegebenenfalls würde sich dadurch eine Kontrolllücke im KMU-Bereich ergeben, der der neue § 39 a GWB nur begrenzt abhelfen könne. § 39 a GWB habe zum einen sehr hohe Voraussetzungen und könne zum anderen aufgrund der ebenfalls geänderten Bagatellmarktklausel in vielen Fällen obsolet werden. Neu und neu zu definieren sei die durch die GWB-Novelle dem Bundeskartellamt zugedachte Rolle der Generalstaatsanwalt als zuständige Verfolgungsbehörde nach Einspruch gegen eine Bußgeldentscheidung. Sämtliche Entwicklungen harrten nun noch der konkreten fallbezogenen Anwendung in der Praxis.

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