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FIW
Symposion
Rede
Bundeskartellamt
Mundt

 

Anlässlich des 55. FIW-Symposions am 3. März 2022 (im virtuellen Format) ging Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts, in seinem Vortrag „Kartellrechtspraxis ein Spiegel für die Transformation der Wirtschaft“ auf die Haupttreiber der aktuellen Transformation der Wirtschaft ein: Digitalisierung und Nachhaltigkeit.

Mundt brachte zum Ausdruck, dass der Koalitionsvertrag zum Teil gute Impulse setze. Dazu gehörten die Stärkung der Kompetenzen für das Bundeskartellamt und der Prüfauftrag, wie (nicht „ob“) dessen Verbraucherschutzkompetenzen gestärkt werden könnten. Man werde sehen, wie sich die Aspekte Innovation, Verbraucherschutz und Nachhaltigkeit in der Praxis stärker in den Blick nehmen ließen. Mundt akzentuierte, wie wichtig es sei, dass Gesetze auch tatsächlich in der Praxis umsetzbar seien. Die Legislative müsse stets die Wirkungen und Rahmenbedingungen der Gesetzgebung in der Praxis im Auge behalten. Dieses Petitum exerzierte Mundt am Beispiel der zunehmend schwierigen Vergabe öffentlicher Bauaufträge durch. Im Ergebnis plädierte er dafür, das Vergaberecht nicht weiter, z. B. durch soziale Gesetzgebung, zu überfrachten.

Digitalisierung:

Mundt betonte, dass die Themen Digitalisierung und Nachhaltigkeit im Bundeskartellamt eine große Rolle einnähmen. Bei der Digitalisierung herrsche noch kein Level-Playing Field vor. Die zunehmende Relevanz von Daten zeige auf, dass die Datenteilung und das Zugänglichmachen von Daten derzeit die Debatte anführten. Mundt gab zu bedenken, dass Deutschland beim Internet-of-things (IOT) eine führende Rolle einnehme und dass Daten dabei ein wesentliches Asset dieser Unternehmen darstellten, die deren Wettbewerbsfähigkeit erhielten. Die Verankerung eines Zugangs zu Daten sei daher ein zweischneidiges Schwert.

Die mit der Digitalisierung verbundenen Probleme seien erkannt, die Leitplanken dazu mit § 19 a GWB und mit dem Digital Markets Act (DMA) gezogen. Das Bundeskartellamt habe § 19 a GWB mit Inkrafttreten auch beherzt genutzt und gegen alle vier GAFA-Unternehmen Verfahren nach § 19 a GWB eröffnet. Es seien auch bereits Verfahren nach § 19 a Abs. 2 GWB eröffnet worden. Ein Verfahren beinhaltete sogar das Begleiten der Umsetzung des Leistungsschutzrechts im Rahmen eines § 19 a GWB-Verfahrens (gegen Google). Es handele sich insgesamt um eine ganze Fülle von Verfahren in rechtlichem Neuland, die allesamt schwierig seien; es sei kein „no-Brainer-Verfahren“ darunter. Außerdem würden diese noch dazu ohne zusätzliche Ressourcen des Amtes geführt. Insofern zeigte sich Mundt dankbar, dass der Koalitionsvertrag eine Personalaufstockung vorsieht.

Mundt bekräftigte zudem seine Haltung zum Verhältnis von §19 a GWB und dem DMA. Er sei sehr für die Etablierung eines Mechanismus zur engen Koordinierung und Kooperation zwischen der EU-Kommission und dem Netzwerk der europäischen Wettbewerbsbehörden (ECN) eingetreten. Die EU-Kommission habe dies abgelehnt. Mundt warnte, dass die Durchsetzung in der Praxis auf ein „Enforcement Bottleneck“ hinauslaufen könnte, da viele Verfahren geführt werden müssen. Seiner Meinung nach wäre viel gewonnen, wenn die nationalen Wettbewerbsbehörden wenigsten ihre nationalen Wettbewerbsvorschriften gegen die Big Tech-Unternehmen durchsetzen könnten. Da das Bundeskartellamt bereits viele erfolgreiche Verfahren geführt habe, sei es insofern sinnvoll, einen „Wettbewerb der Ideen“ zuzulassen.

Mundt schilderte, dass auch ein konsequentes Eingreifen mit dem Instrument der Fusionskontrolle wichtiger denn je sei, gerade gegen Big Tech-Unternehmen. So hätte sich das Bundeskartellamt auch gemeinsam mit der britischen Wettbewerbsbehörde Competition and Markets Authority (CMA) und der australischen Behörde (ACCC) auf eine gemeinsame Erklärung zur Fusionskontrolle verständigt. Man solle möglichst von vornherein vermeiden, dass Marktmacht entsteht, um nicht hinterher nur mit dem Instrument der Missbrauchskontrolle dagegen halten zu können. Eine vorherige Kontrolle sei auch deshalb wichtig, weil Ökosysteme dazu neigten, ihre Macht auf andere Märkte zu erstrecken. Als typischen Fall nannte Mundt Meta/Customer, den das Bundeskartellamt nur „unter extremen Bauchschmerzen“ freigegeben habe. Er trete auch für eine Verschärfung der Fusionskontrolle für Unternehmen (Big Tech) ein, die § 19 a GWB unterfielen. Man solle darüber nachdenken, die Anforderungen an den Nachweis einer Wettbewerbsbeeinträchtigung zu senken und andere Beweislastregeln, wie z. B. die Eintrittswahrscheinlichkeit, vorzusehen.

Die Praxis der EU, Verhaltenszusagen auch von über 10 Jahren zuzulassen, sei für das Bundeskartellamt zu lang, da das „Monitoring“ zum Nachhalten der Entscheidungen in den Wettbewerbsbehörden viele Kräfte über einen langen Zeitraum binden würde. Zur Fallverweisung nach Art. 22 FKVO führte Mundt kritisch das Zitat eines Unternehmensjuristen an: „Es treffen sich wenige nicht zuständige Behörden, die Fälle an eine noch weniger zuständige Behörde verweisen“. Es bedürfe eines Gesetzes oder einer gesetzlichen Ermächtigung für die Behörden, die sich nicht selbst ermächtigen sollten. Das ICN und das ECN könnten mit ihren Vorgaben zur Rechtssicherheit Pate stehen. Andernfalls bestehe ein Vollzugsverbot.

Nachhaltigkeit:

Eigentlich stünden Wettbewerb und Nachhaltigkeitsziele fast immer im Einklang miteinander, so Mundt. Der Wettbewerb sei der Innovationsmotor schlechthin. Nachhaltigkeit über Wettbewerb zu fördern, würde daher auch keinen künstlichen Antagonismus herstellen. Bei dem verständlichen Wunsch, Nachhaltigkeit in Unternehmensentscheidungen zu integrieren, sei dies bei Preisabsprachen unter kartellrechtlichen Gesichtspunkten allerdings schwierig (Beispiel: Agrardialog Milch). Die Kehrseite der Nachhaltigkeitspolitik sei oft, dass der Verbraucher mehr zahle. Hier müsse man die Rollenverteilung im Auge behalten. Das Ausbalancieren von Gemeinwohlzielen auf der Ebene einer Behörde sei nicht leicht; das Bundeskartellamt werde dies aber tun. Wenn Verbraucher über Gemeinwohlziele kompensiert werden könnten, könne deren Zahlungsbereitschaft durchaus berücksichtigt werden.

Es gebe eine steigende Anzahl von Nachhaltigkeitsinitiativen. Auch Kooperationen und die Fusionskontrolle seien davon betroffen. Das Bundeskartellamt stehe für informelle Freistellungsentscheidungen oder die Begleitung von Nachhaltigkeitsinitiativen zur Verfügung und stehe bereit, auf eine kartellrechtskonforme Ausgestaltung hinzuwirken. Diese werde wiederum über Fallberichte oder Pressemitteilungen publik gemacht.

Wettbewerbsbeschränkungen dürften nicht vom politischen Kontext überlagert werden. Nachhaltigkeit sei das große Ziel, dürfe selbst aber nicht in die Anwendung des Wettbewerbsrechts integriert werden. Dasselbe gelte für andere Ziele als Einfallstore, wie die Gesundheit oder die Schaffung von Arbeitsplätzen. Wettbewerb sei selbst der beste Jobmotor und könne am meisten für die Gesundheit bewirken. Die Horizontal-Leitlinien der EU stellten hier gute Ansätze bereit, mit denen auch nationale Wettbewerbsbehörden gut arbeiten könnten.

Ausblick:

Das Bundeskartellamt habe sich in Richtung einer Marktordnungsbehörde weiterentwickelt (z. B. Sektoruntersuchungen im Verbraucherschutz, Ansiedlung des Wettbewerbsregisters). Das müsse nicht schlecht sein, so Mundt. Ein Hauptthema bleibe Compliance. So könnte ein Unternehmen aus dem Wettbewerbsregister gelöscht werden, wenn es Compliance-Maßnahmen getroffen hätte. Auch bei Bußgeldern fände jetzt die Vortat-Compliance Beachtung. Das Bundeskartellamt werde damit zu einer zentralen Instanz, welche sich mit Compliance zu beschäftigen habe, über das Wettbewerbsregister auch für alle Bereiche der Gesellschaft. Damit das Bundeskartellamt seine Beratung leisten könne, die von den Unternehmen in immer größerem Maße abgefragt werden würden, müsse das Amt gut ausgestattet sein. Dieser Aspekt sei momentan noch zu kurz geraten.

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