EU-Kommission
EU-Parlament
Wettbewerbskommissar
Margarete Vestager
Anhörung Livestream:
https://www.europarl.europa.eu/ep-live/en/committees/video?event=20191008-1430-SPECIAL-HEARING-2Q2
Transkript der Anhörung:
https://www.europarl.europa.eu/resources/library/media/20191009RES63801/20191009RES63801.pdf
Eingangsstatement:
https://ec.europa.eu/competition/information/mv_statement_hearing.pdf
Die designierte EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager wurde am 8. Oktober 2019 von 14:30 Uhr bis 17:30 Uhr vom Europäischen Parlament zu ihrer zukünftigen Politik und geplanten Meilensteine befragt. Die Anhörung wurde zudem live auf der Website des Parlamentes übertragen.
Vestagers Vision einer europäischen Industriestrategie lässt sich mit den Worten aus dem Eingangsstatement zusammenfassen:
The industrial strategy must be for everyone; it must be green and it must be based on fair competition. This work will include coming up with a new strategy to support the heart of Europe’s economy – the small and medium-sized businesses.
Einige Fragen der Abgeordneten bezogen sich auf den Reformbedarf des Wettbewerbsrechts im Hinblick auf globale Konkurrenz und die Notwendigkeit für eine neue europäische Industriepolitik. So fragte Andreas Schwab, EVP ganz konkret:
„Welche Maßnahmen plant die Kommission unter Ihrer Leitung als Vizepräsidentin konkret, um den Zusammenschluss europäischer Firmen zu erleichtern, anstatt Investitionen aus Fernost aufgrund wettbewerbsrechtlicher Vorgaben der EU mittelbar sogar privilegiert erscheinen zu lassen?“
Vestager blieb hier recht vage. Sie verwies auf die nötigen Reformen innerhalb der WTO und – immer wieder – auf das IPI. Reziprozität im Public Procurement sei eine entscheidende Stellschraube:
„When we invite people into our market, we should also be invited to theirs, and the market for procurement in Europe is, I think, about 15% of European GDP. It’s a lot of money.“
Gleichzeitig bekundete Vestager, sicherstellen zu wollen, dass funktionale Werkzeuge entwickelt würden, um eine Lösung zu finden, wie man mit hochsubventionierten Übernahmeangeboten durch Drittstaatenunternehmen umgehen werde. Dies sei allerdings zurzeit noch eine offene Frage, an der die Kommission (sie gemeinsam mit den Kollegen aus Handel und Binnenmarkt) aber mit „hoher Priorität“ arbeiten werde. Sie ließ auch die Entscheidung der Kommission in dem Fusionsfall Siemens -Alstom kurz Revue passieren und rechtfertigte jene auf der Grundlage geltenden Rechts. Bei Siemens/Alstom sie es zudem darum gegangen sei, dass die Unternehmen keine angemessenen Abhilfemaßnahmen akzeptiert hätten. Daran werde auch eine andere Marktdefinition nichts ändern. Eventuell sei es aber an der Zeit, die 20 Jahre alte Mitteilung zum relevanten Markt zu aktualisieren. Zwei beauftragte Wissenschaftler, die sich 15 Fälle der Kommission in Hinblick auf die Entscheidungen zur Marktdefinition angesehen hätten, seien zu dem Schluss gekommen, dass die Kommission hier ähnlich wie andere Kartellbehörden vorgehe.
Andere Fragen bezogen sich auf den Umgang mit den US-amerikanischen Tech-Giganten und auf geplante Änderungen in der Missbrauchsaufsicht, unter anderem auf die Möglichkeit einer Verfahrensbeschleunigung insbesondere bei schnelllebigen digitalen Märkten. In einer Verfahrensbeschleunigung sah Vestager eine Priorität ihres Portfolios. Man arbeite daran, würde jedoch niemals wichtige „due process“-Prinzipien aufgeben, so dass eine gewisse Verfahrensdauer dem Prozess inhärent sei. Weitere Fragen bezogen sich auf Vestagers zukünftiges Mandat als Vizepräsidentin für den Digitalbereich, z. B. auf den Umgang mit künstlicher Intelligenz, die Einführung einer Digitalsteuer sowie auf etwaige Interessenskonflikte zwischen ihren beiden neuen Aufgabengebieten und Rollen.
Zu Interessenskonflikten verwies Vestager allgemein auf die „guten“ Kontrollinstanzen durch den Legal Service, den Hearing Officer, die Entscheidung als Kollegium und letztlich auch die „umfangreiche“ gerichtliche Kontrolle durch den EuGH. All diese Stellen würden die Unabhängigkeit der Wettbewerbsentscheidungen sicherstellen. Das Menarini -Urteil habe die Legalität der Entscheidungen und des Verfahrens der Kommission bestätigt. Auf erneute Nachfragen, wie sie selbst und ihr engeres Team die klare Trennung der beiden Aufgabenbereiche Legislative und Exekutive bewältigen wolle, gab Vestager nur an, dass sie selbst als Executive Vice President keine Legislativakte (außerhalb des Wettbewerbsrechts) vorschlage, sondern nur die Arbeitsbereiche der zuständigen Kommissare koordiniere.
Vestager bezog sich inhaltlich bei ihren Antworten oft auf die bereits im Missionsschreiben (Mission Letter) der designierten Kommissionspräsidentin Von der Leyen umrissenen Aufgaben. Von der Leyen hatte Vestager für den Bereich der Wettbewerbspolitik aufgefordert, dafür zu sorgen, dass die Wettbewerbspolitik und die Wettbewerbsregeln fit für die moderne Wirtschaft sind, energisch durchgesetzt werden und zu einer starken europäischen Industrie im In- und Ausland beitragen. Dazu hatte Von der Leyen Vestager bereits einige spezifische Aufgaben ins Portfolio geschrieben (vgl. dazu auch FIW-Bericht vom 22.09.19).