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BMWi
Digitalisierung
Kartellrecht
9. GWB-Novelle
Grünbuch Digitale Plattformen

Am 30. Mai 2016 hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) ein Grünbuch zu digitalen Plattformen veröffentlicht. Mit dem Grünbuch Digitale Plattformen sollen „zentrale, rechtliche und regulatorische Fragen im Rahmen digitaler Plattformen identifiziert, definiert und strukturiert werden“. Es steht (mit zwölf Thesen und 52 konkreten Fragen) bis zum 30. September 2016 zur Konsultation.  Das Grünbuch ist Teil der „Digitalen Strategie 2025″ von Bundeswirtschaftsminister Gabriel zur Digitalisierung der deutschen Volkswirtschaft. Ziel ist es, einen Ordnungsrahmen zu schaffen, der einerseits mehr Investitionen und Innovationen auf Grundlage eines fairen Wettbewerbs ermöglicht, andererseits aber auch individuelle und unternehmerische Grundrechte und Datensouveränität sichert. Ein Weißbuch mit konkreten Regelungsvorschlägen soll Anfang 2017 nachfolgen. 

Angekündigte Anpassungen im GWB:

Es soll eine Anpassung des GWB in wenigen, aber zentralen Einzelpunkten erfolgen, um eine effizientere Anwendung des Kartellrechts auf digitale Plattformen zu gewährleisten. Die 9. GWB-Novelle soll daher Änderungen in vier Bereichen vorsehen:

1. Es soll klargestellt werden, dass auch dann ein Markt vorliegen kann, wenn für ein Leistungsangebot keine Geldzahlung verlangt wird, wie dies bei vielen der sog. zweiseitigen Plattformmärkte üblich ist. Mit anderen Worten soll die Unentgeltlichkeit von Leistungen der Annahme eines Marktes nicht entgegenstehen. Die Bedeutung des Anbieters auf einem solchen Markt könne dann zukünftig einfacher bei der kartellrechtlichen Prüfung aller betroffenen Märkte berücksichtigt werden. Die Änderung soll die Praxis der Europäischen Kommission aufnehmen, die inzwischen sowohl in Missbrauchsverfahren als auch in der Fusionskontrolle auch dort Märkte annimmt, wo eine unentgeltliche Leistung angeboten wird. Im aktuellen Verfahren gegen Google geht die Kommission erstmals von einem „Markt für Suchmaschinendienste“ im Verhältnis zwischen Google und Nutzern aus, obgleich Googles Leistungen auf diesem Markt unentgeltlich sind.

2. Es sollen zudem Kriterien für die Bewertung der Marktstellung eines Unternehmens um solche Faktoren ergänzt werden, die für die Analyse von Geschäftsmodellen digitaler Plattformen besonders relevant sind. In den Missbrauchsvorschriften sollen Netzwerkeffekte insbesondere wegen der mit ihnen verbundenen Konzentrationstendenzen, die Bedeutung von Daten, Größenvorteile, Nutzerverhalten und Wechselmöglichkeiten sowie das Innovationspotenzial mit aufgenommen werden.

3. Im Hinblick auf die Datenrelevanz soll eine verfahrensrechtliche Zusammenarbeit der Kartellbehörden mit den Datenschutzbeauftragten ermöglicht werden.

4. Schließlich soll eine „Lücke“ in der Fusionskontrolle geschlossen werden, wie es im Grünbuch heißt. Die Aufgreifkriterien, die bisher bestimmte in der Vergangenheit erzielte Umsatzerlöse voraussetzen, werden subsidiär um einen hohen Transaktionswert (Kaufpreis über 350 Mio. Euro laut Grünbuch) ergänzt werden. Das soll künftig eine Prüfung auch in den Fällen erlauben, in denen ein umsatzstarkes Unternehmen ein anderes übernimmt, das nach geltendem Recht für eine Kontrollpflicht zu geringe Umsätze aufweist, in denen aber der hohe Kaufpreis eine wettbewerbliche Bedeutung des Zusammenschlusses indiziert (vgl. Facebook/WhatsApp). Damit soll „auch ein Signal nach Brüssel“ gesandt werden, da „auch die europäische Fusionskontrollverordnung (…) insoweit eine Prüflücke“ enthielte.

Der konstatierte Regelungsbedarf steht in einem gewissen Widerspruch zu den Feststellungen des Grünbuchs auf S. 46, wo zuvor darauf hingewiesen wird, dass

 „insoweit keine Änderung der wesentlichen Grundsätze des Kartellrechts erforderlich [sei], um auf mögliche Wettbewerbsprobleme in der digitalen Ökonomie, speziell im Zusammenhang mit digitalen Plattformen, adäquat reagieren zu können. Kein Experte hat dies bisher gefordert. In der Arbeitsgruppe Intermediäre der Bund-Länder-Kommission zur Medienkonvergenz wurde ebenfalls kein Änderungsbedarf im Kartellrecht festgestellt.“

Weiter heißt es im Grünbuch:

 „Die offenen Tatbestandskriterien des GWB erlauben grundsätzlich eine Anpassung an und die Berücksichtigung von sich ändernden Lebenssachverhalten. Das erlaubt auch die Prüfung, ob z. B. die Beschränkung der Interoperabilität von Daten im Einzelfall ein Missbrauch von Marktmacht sein kann.“

Weitere Schritte:

Das Grünbuch avisiert noch ein Inkrafttreten der 9. GWB-Novelle zum Ende des Jahres 2016. Dieser Termin dürfte jedoch nicht mehr zu halten sein, da der Referentenentwurf immer noch nicht vorliegt. Dem Vernehmen nach wird die Novelle erst nach der Sommerpause im Bundestag und Bundesrat verhandelt werden. Das Grünbuch kündigt für die geplanten neuen Vorschriften im GWB mit Digitalbezug eine Evaluierung nach drei Jahren an.

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