Kommission
Beihilfenpolitik
Steuern
„Tax Rulings“
Am 3. Juni 2016 hat die GD Wettbewerb ein Arbeitspapier zur Beihilfenpolitik und verbindlichen Steuerentscheiden („Tax Rulings“) veröffentlicht. Das Arbeitspapier dient als Orientierungshilfe für Mitgliedstaaten und Unternehmen, um zur Klärung der beihilferechtlichen Zulässigkeit von Steuervorbescheiden beizutragen.
Wesentlicher Inhalt des Arbeitspapiers:
Die GD Wettbewerb betont in dem Papier, dass sie die Praxis der Mitgliedstaaten, mit Steuervorbescheiden für den Steuerzahler Rechtssicherheit herzustellen, grundsätzlich nicht infrage stellt. Gleichzeitig hebt sie allerdings für die Beurteilung, ob durch einen Steuervorbescheid ein selektiver Vorteil gewährt werde, die Relevanz des Fremdvergleichsgrundsatzes hervor.
Nach der Aufforderung an die Mitgliedstaaten, der EU-Kommission Informationen über die ergangenen Steuervorbescheide zur Verfügung zu stellen, hat die Kommission nach Angaben der GD Wettbewerb über 1.000 solcher Bescheide untersucht. Dabei sei sie zu der vorläufigen Erkenntnis gekommen, dass Steuervorbescheide, die der Klärung von Verrechnungspreisen im Rahmen des operativen Geschäfts von Industrieunternehmen dienten, in der Regel unproblematisch seien: „In general, rulings that cover intra-group transactions between two different Member States, where both companies carry out genuine economic activities on which they are taxed, have been found to be unproblematic“ (Ziffer13). Damit wird die oft anzutreffende Behauptung, Verrechnungspreise wären allgemein ein Instrument zur Gewinnverlagerung, widerlegt.
Anders fällt die Beurteilung aus Sicht der GD Wettbewerb für Steuervorbescheide für Finanzierungsgesellschaften aus, die Teil eines multinationalen Konzerns sind. Deren Aktivität beschränke sich im Normalfall auf die Bereitstellung von finanziellen Mitteln oder Rechten des Geistigen Eigentums. Im Zusammenhang mit diesen Gesellschaften würden von einigen Mitgliedstaaten entweder Erträge angesetzt, die nicht mit dem Fremdvergleichsmaßstab im Einklang stehen oder es würde ein unangemessenes Verfahren zur Ermittlung des angemessenen Verrechnungspreises eingesetzt. Auf der Grundlage dieser Ergebnisse kündigt die EU-Kommission weitere Beihilfeentscheidungen zu steuerlichen Sachverhalten an.
In dem Papier werden ebenfalls kurz die Ergebnisse der in den Jahren 2014 und 2015 eingeleiteten steuerlichen Beihilfeverfahren in einzelnen Fällen erläutert. Negativentscheidungen mit Rückforderungsanordnungen erließ die Kommission in den Fällen Starbucks (Niederlande), Fiat (Luxemburg) und „Gewinnüberschuss“ (Belgien). Untersuchungen laufen noch in den Fällen Apple (Irland) sowie Amazon und McDonald’s (Luxemburg). Neben diesen prominenten Entscheidungen hat die EU-Kommission bereits die Einleitung weiterer Verfahren angekündigt.
Hintergrund:
Seit dem Jahr 2014 untersucht die EU-Kommission Steuerentscheide in allen Mitgliedstaaten per Auskunftsverlangen, ob diese verbindliche Steuerentscheide (so genannte „tax rulings“) erteilen (vgl. hierzu auch FIW-Berichte vom 19.01.15, 27.01.15 und 28.09.15). Die Mitgliedstaaten waren aufgefordert worden, Informationen über ihre Steuerentscheide zu erteilen und gegebenenfalls eine Liste aller Unternehmen, die zwischen 2010 bis 2013 einen Steuerentscheid erhalten haben, bereitzustellen. Die Kommission hatte bereits im Juni 2013 einige Mitgliedstaaten um ähnliche Informationen über Steuerentscheide gebeten. Die Auskunftsersuchen erstreckten sich in Folge auch auf Deutschland. In Deutschland können gemäß § 89 Abs. 2 Satz 1 AO die Finanzämter und das Bundeszentralamt für Steuern auf Antrag verbindliche Auskünfte über die steuerliche Beurteilung von genau bestimmten, noch nicht verwirklichten Sachverhalten erteilen, wenn daran im Hinblick auf die erheblichen steuerlichen Auswirkungen ein besonderes Interesse besteht.
Darüber hinaus hatte die Kommission förmliche Prüfverfahren in einigen Fällen eingeleitet (z. B. Apple in Irland, Starbucks in den Niederlanden, Fiat Finance & Trade und Amazon in Luxemburg, „Gewinnüberschuss“ in Belgien). Es wurde geprüft, ob die Mitgliedstaaten diesen Unternehmen mit der Erteilung verbindlicher Steuerauskünfte einen selektiven Vorteil gewährt hätten. Drei Verfahren sind mit einer Negativentscheidung und Rückforderungsanordnung beendet worden.
Anm.: Kommt die Europäische Kommission nach Durchführung eines förmlichen Prüfverfahrens zu dem Ergebnis, dass eine Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt nicht vereinbar ist, erlässt sie eine Negativentscheidung nach Art. 7 Abs. 5 Beihilfenverfahrensverordnung (BVVO). In den Fällen, in denen die Beihilfe trotz des in Art. 88 Abs. 3 EG enthaltenen Durchführungsverbotes bereits gewährt wurde, wird die Negativentscheidung mit einer Rückforderungsentscheidung verbunden (Art. 14 Abs. 1 BVVO).