Bundesgerichtshof
Vertikale Wettbewerbsbeschränkungen
Anzapfverbot
Beschluss des BGH:
Presse (pars pro toto):
Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat am 23. Januar 2018 in Karlsruhe ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf vom November 2015 teils aufgehoben (EDEKA – Beschluss vom 23.01.2018 – KVR 3/17, auch als „Hochzeitsrabatte“ bekannt geworden).
Hintergrund:
Die Edeka-Gruppe hatte Ende 2008 rund 2.300 Filialen der Discountkette „Plus“ von ihrem Wettbewerber Tengelmann übernommen und in ihre eigene Discountkette „Netto“ eingegliedert. Im Anschluss an die Jahresverhandlungen für 2009 hatte Edeka sogenannte Sonderverhandlungen mit über 500 Lieferanten geführt, darunter verschiedenen Sekthersteller. Edeka hatte im Vergleich zu den Einkaufskonditionen von „Plus“ eine Anpassung einzelner Konditionen gefordert („Bestwertabgleich“) und dabei auf einen Zeitpunkt vor dem Vollzug des Zusammenschlusses abgestellt.
Exemplarisch hatte das Bundeskartellamt die Forderungen gegenüber den Sektherstellern herausgegriffen und diese 2014 in einer Grundsatzentscheidung untersagt. Das OLG Düsseldorf hat der Beschwerde der Edeka-Gruppe stattgegeben und die Untersagungsverfügung des Amtes vollständig aufgehoben, weil es den Missbrauch von Marktmacht nicht für gegeben angesehen hatte. Das OLG hatte die Rabatte noch als Ergebnis von Verhandlungen annähernd gleichstarker Partner gewertet.
Der BGH hat nun festgestellt, dass ein marktstarkes Unternehmen bereits dann kartellrechtswidrig handelt, wenn es von seinem Lieferanten Konditionen fordert, die in einem offensichtlichen Missverhältnis zur angebotenen Gegenleistung stehen, ohne dass es darauf ankommt, ob das Unternehmen dadurch gegenüber seinen Wettbewerbern besser gestellt wird oder es bei dieser Forderung seine Marktmacht tatsächlich ausnutzt. Er hat dabei folgende Feststellungen getroffen:
Die Feststellung, dass ein marktbeherrschendes oder marktstarkes Unternehmen ein anderes Unternehmen aufgefordert hat, ihm ohne sachlich gerechtfertigten Grund Vorteile zu gewähren, setzt nicht voraus, dass der Normadressat eine Besserstellung gegenüber seinen Wettbewerbern verlangt hat.
Die sachliche Rechtfertigung der von einem Normadressaten verlangten Vorteile kann nicht damit begründet werden, bei der Forderung fehle es an einer Ausnutzung der Marktmacht des Normadressaten.
Ist die Forderung eines Vorteils nicht leistungsgerecht, weil zwischen Forderung und Grund oder angebotener Gegenleistung ein offensichtliches Missverhältnis besteht, spricht eine Vermutung für das Fehlen einer sachlichen Rechtfertigung. Die Prüfung der Leistungsgerechtigkeit einer Forderung erfordert dabei eine Gesamtbetrachtung der vom Normadressaten verlangten Konditionen.
Die Forderung eines Normadressaten gegenüber seinen Lieferanten, sich ohne eine gesicherte Gegenleistung mit einem nicht lieferanten-, waren- oder artikelbezogen ermittelten Betrag allgemein an der Modernisierung von ihm übernommener Filialen zu beteiligen, ist regelmäßig nicht sachlich gerechtfertigt.
Letzteres (d) betraf die so genannte „Partnerschaftsvergütung“, mit der sich die Lieferanten an den Kosten für den Umbau der Plus-Filialen beteiligen sollten. Hier lag nach Ansicht des Gerichts offensichtlich keine Gegenleistung vor.
Grundsätzlich sind harte Verhandlungen, zu denen auch Konditionsvereinbarungen gehören, zwischen Händlern und Herstellern in vielen Branchen üblich und trotz einer starken Marktposition aus kartellrechtlicher Sicht zulässig. Die Forderungen müssen jedoch gerechtfertigt sein. Das marktstarke Unternehmen handelt dann rechtswidrig, wenn die Forderung von vorteilhaften Konditionen ohne sachliche Rechtfertigung eingefordert wird (sog. Anzapfverbot). Im Fall von Edeka wird in der Begründung von nicht leistungsgerechter Begünstigung gesprochen.
Damit hat der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss das Bundeskartellamt in entscheidenden Punkten in seiner Entscheidung gegen Edeka bestätigt und einige Grundsatzfragen zum Anzapfverbot geklärt.