BMWK
11. GWB-Novelle
Wettbewerbsdurchsetzungsgesetz
Entflechtung
Sektoruntersuchung
BMWK – Bundeswirtschaftsministerium legt Entwurf zur Verschärfung des Wettbewerbsrechts vor
Referentenentwurf: wettbewerbsdurchsetzungsgesetz-referentenentwurf-bmwk.pdf
Am 26. September 2022 hatte das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) einen noch nicht ressortabgestimmten Referentenentwurf für eine 11. GWB-Novelle („Gesetz zur Verbesserung der Wettbewerbsstrukturen und zur Abschöpfung von Vorteilen aus Wettbewerbsverstößen (Wettbewerbsdurchsetzungsgesetz)“) zur Konsultation an die Verbände geschickt (vgl. dazu auch FIW-Berichte vom 14.06.22 und 13.07.22). Die Frist der Verbände zur Kommentierung des Referentenentwurfs lief nur bis zum 7. Oktober 2022 (acht Werktage). Bereits am 4. Oktober 2022 (nach vier Werktagen) fand eine vom BMWK organisierte Verbändeanhörung statt. Die Mehrheit der dort vertretenen Verbände lehnte die weitreichenden Eingriffsbefugnisse für das Bundeskartellamt ab.
Der Referentenentwurf sieht Maßnahmen in drei Bereichen vor:
1. Erweiterung der Befugnisse bei Sektoruntersuchungen einschließlich missbrauchsunabhängiger Entflechtung
Die Kompetenzen des Kartellamtes im Rahmen von Sektoruntersuchungen sollen ausgeweitet und die Durchführung der Untersuchungen soll beschleunigt werden. Für eine Sektoruntersuchung und die damit verbundenen Befragungen soll ein Zeitfenster von maximal 18 Monaten vorgesehen werden (§ 32e GWB-E). Die neuen Befugnisse des Kartellamtes nach einer Sektoruntersuchung finden sich in §32 f GWB-E.
- Meldung von Zusammenschlussvorhaben: Wenn nach einer Sektoruntersuchung objektiv nachvollziehbare Anhaltspunkte dafür bestehen, dass durch künftige Zusammenschlüsse der wirksame Wettbewerb im Inland in einem oder mehreren der untersuchten Wirtschaftszweige erheblich behindert werden könnte, kann das Bundeskartellamt Unternehmen verpflichten, jeden Zusammenschluss in einem oder mehreren dieser Wirtschaftszweige innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren anzumelden. Diese Anmeldepflicht gilt für Zusammenschlüsse, bei denen der Erwerber im letzten Geschäftsjahr Umsatzerlöse im Inland von mehr als 50 Millionen Euro und das zu erwerbende Unternehmen im letzten Geschäftsjahr mehr als 500.000 Euro Umsatz erzielt hat.
- Abhilfemaßnahmen: Wenn eine erhebliche, andauernde oder wiederholte Störung des Wettbewerbs auf mindestens einem Markt oder marktübergreifend vorliegt, kann das Bundeskartellamt Unternehmen alle zur Beseitigung oder Verringerung der Störung des Wettbewerbs erforderlichen Abhilfemaßnahmen verhaltensorientierter oder struktureller Art vorschreiben. Zu den möglichen Abhilfemaßnahmen zählen laut Referentenentwurf insbesondere: a. die Gewährung des Zugangs zu Daten, Schnittstellen, Netzen oder sonstigen Einrichtungen, b. die Belieferung anderer Unternehmen, einschließlich der Einräumung von Nutzungsrechten an geistigem Eigentum, c. behördliche oder vergleichbare Zulassungen oder Genehmigungen, d. die Lieferbeziehungen zwischen Unternehmen auf den betroffenen Märkten und auf verschiedenen Marktstufen; gemeinsame Normen und Standards, e. Vorgaben zu bestimmten Vertragsformen oder Vertragsgestaltungen einschließlich vertraglicher Regelungen zur Informationsoffenlegung und f. die organisatorische Trennung von Unternehmens- oder Geschäftsbereichen.
- Entflechtung: Daneben kann das Bundeskartellamt – als ultima ratio – auch die Veräußerung von Unternehmensanteilen oder Vermögen anordnen, wenn zu erwarten ist, dass durch diese Maßnahme die erhebliche, andauernde oder wiederholte Störung des Wettbewerbs beseitigt oder erheblich verringert wird. Die Veräußerung von Vermögensteilen, die das betroffene Unternehmen aufgrund der bestandskräftigen Frei-gabe eines Zusammenschlusses durch das Bundeskartellamt, die Europäische Kommission oder nach Erteilung einer bestandskräftigen Ministererlaubnis erworben hat, ist grundsätzlich erst nach fünf Jahren zulässig. Die veräußerten Vermögensteile dürfen innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren nicht zurückerworben werden, es sei denn, das Unternehmen weist nach, dass sich die Marktverhältnisse soweit geändert haben, dass eine Störung des Wettbewerbs nicht mehr vorliegt.
2. Absenkung der Voraussetzungen für die kartellrechtliche Gewinnabschöpfung
Daneben sollen auch die Voraussetzungen der kartellrechtlichen Vorteilsabschöpfung (§ 34 GWB-E) überarbeitet werden. Die Hürden des Nachweises von „vorsätzlichem oder fahrlässigem abgestimmten kartellrechtswidrigen Verhalten“ oder dem „Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung“ sollen abgesenkt werden. Es wird eine Vermutungsregelung vorgeschlagen, nach der davon ausgegangen wird, dass ein Unternehmen auf der Grundlage eines nachgewiesenen Kartellrechtsverstoßes einen Vorteil in Höhe von mindestens 1% seiner Inlandsumsätze mit dem Produkt oder der Dienstleistung erzielt hat, das mit dem Kartellrechtsverstoß in Zusammenhang steht. Außerdem soll es auf ein Verschulden des Unternehmens in diesem Zusammenhang nicht mehr ankommen. Die Vorteilsabschöpfung soll für die gesamte Dauer der Zuwiderhandlung möglich sein.
3. Durchsetzung des Digital Markets Act
Daneben werden in dem Referentenentwurf die rechtlichen Grundlagen dafür geschaffen, dass das Bundeskartellamt die Europäische Kommission bei der Durchsetzung des Digital Markets Act (DMA) unterstützen kann. Ebenso soll eine Möglichkeit für die gerichtliche Durchsetzung des DMA in Deutschland eingeführt werden.