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Wettbewerbsrecht
Nachhaltigkeit
Kooperationen

 

Link zum Gutachten: Menschenrechte und unternehmerische Sorgfaltspflichten (bmwk.de)

Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hat am 15. Juni 2022 das Gutachten „Menschenrechte und unternehmerische Sorgfaltspflichten“ veröffentlicht.

Anlass waren die verschiedenen gesetzgeberischen Initiativen zu unternehmerischen Sorgfaltspflichten, etwa das deutsche Lieferkettengesetz vom Juni 2021, in dessen Mittelpunkt mögliche Menschenrechtsverletzungen oder die Verletzung von Arbeitnehmerrechten bei im Ausland ansässigen unmittelbaren Zulieferern stehen, und der Richtlinienentwurf der EU vom Februar 2022 zu unternehmensbezogenen Sorgfaltspflichten in der Lieferkette im Hinblick auf menschenrechtliche und umweltbezogene Belange.

Das Gutachten enthält Empfehlungen für die weitere Ausgestaltung der europäischen Regelung und möchte dabei helfen, „diese Regeln so zu gestalten, dass Unternehmen allenfalls geringe Anreize haben, ihre Sorgfaltspflichten dadurch zu erfüllen, dass sie sich aus Handelsbeziehungen mit Unternehmen im Ausland zurückziehen„.

Auch soll es Unternehmen einer Branche möglich sein, auf die gesteigerten Präferenzen der Verbraucher hinsichtlich der Bedingungen reagieren zu können, zu denen Produkte hergestellt werden. Sie sollen sich auf Mindeststandards einigen, Selbstverpflichtungen und auch Kooperationen eingehen dürfen und sich auch dazu verpflichten dürfen, Zulieferer auszuschließen, die diesen Standards nicht gerecht werden. Die Regeln sollen so ausgestaltet werden, dass die Unternehmen bei deren Anwendung nicht mit dem europäischen Wettbewerbsrecht in einen Konflikt geraten. Die Gutachter sehen insbesondere schon bei der anstehenden Umsetzung des deutschen Lieferkettengesetzes die Möglichkeit, den wettbewerblichen Spielraum weiter auszuloten, den Unternehmen im Rahmen der Anwendung haben.

In Kapitel VII (Nachhaltigkeit und Wettbewerbspolitik) des Gutachtens wird noch einmal auf den engen Bezug zwischen den Sorgfaltspflichten, die das Lieferkettengesetz den Unternehmen auferlegt, und der allgemeineren Tendenz, Unternehmen stärker zur Durchsetzung von Nachhaltigkeitszielen in die Pflicht zu nehmen, hingewiesen. Das Gutachten fasst dabei den Begriff der Nachhaltigkeit sehr weit (einschließlich der Verletzung von Arbeitnehmer- und Menschenrechten) und weist darauf hin, dass aktuell ein Konflikt zwischen Unternehmenskooperationen, die zur Erreichung dieser Ziele effizient oder notwendig sind, und dem Wettbewerbsrecht besteht.

Das Gutachten schlägt vor, bei Nachhaltigkeitskooperationen der Unternehmen eine Kosten-/Nutzenbetrachtung anzustellen und nachteilige Preissteigerungen für die Verbraucher mit dem gleichzeitig erhöhten Verbrauchernutzen zu verrechnen. Ein höherer (und zu berücksichtigender) Nutzen für die Verbraucher könnte beispielsweise in einer höheren Transparenz über die Lieferketten liegen. Der Beirat kritisiert, dass die aktuelle Kartellrechtspraxis hingegen derzeit in zu hohem und einseitigem Maße reine Preisvorteile für die Verbraucher betone. Kooperationen, die die Erreichung politisch und gesellschaftlich gesetzter Nachhaltigkeitsziele beförderten oder gar erst ermöglichten, aber keinen direkten Verbrauchernutzen zu Tage treten ließen, würden von den Kartellbehörden aktuell als wettbewerbsbeschränkende Kooperationen ohne anzuerkennende „Effizienzen“ gewertet.

Die Gutachter sind der Ansicht, dass diese Kooperationen daher einer Rechtfertigung (auch) außerhalb des Kartellrechts bedürften, da das Kartellrecht zu enge Grenzen setze. Auch der Entwurf der EU-Kommission zu den Horizontalleitlinien vom 1. März 2022, mit dem sich das Gutachten am Rande auseinandersetzt und das ebenfalls ein Kapitel über Nachhaltigkeitsvereinbarungen enthält, geht nach Ansicht der Gutachter nicht weit genug. So schränke der Entwurf zulässige Nachhaltigkeitsvereinbarungen über Gebühr ein, wenn deren Ziel lediglich auf die Umsetzung von gesetzlichen Verpflichtungen gerichtet sei. Eine solche gesetzliche Verpflichtung sei etwa das Lieferkettengesetz, das zu seiner effektiven Umsetzung gerade auch Kooperationen erforderlich mache. Ohne die (rechtlich zulässige) Möglichkeit für Kooperationen könne der Sinn dieses Gesetzes sogar verfehlt werden, sofern sich die Unternehmen aufgrund der rechtlich unsicheren Lage und der damit verbundenen Kosten aus den entsprechenden Geschäftsbeziehungen oder Ländern zurückzögen.

Mit konkreten Vorschlägen hält sich der Beirat jedoch zurück. Der Entwurf der Horizontalleitlinien der Kommission mag im Ergebnis noch nicht als vollends zufriedenstellend gewertet werden; die EU-Kommission setzt sich allerdings ausführlich mit den Argumenten für einen gesteigerten Nutzen für die Verbraucher als auch einen gesteigerten Nutzen für die Allgemeinheit auseinander, die den Unternehmen als Argumente für ihre Kooperationen dienen können. Die auf die rechtlichen Regelwerke bezogene Empfehlung des Beirats lautet letztlich auch nur recht lapidar, dass die europäischen Lieferkettenregeln so ausgestaltet und das europäische Wettbewerbsrecht so angepasst werden sollten, dass sie derartige Nachhaltigkeitskooperationen erleichterten.

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