FIW
49. FIW-Symposion
Rede Andreas Mundt
Auf dem 49. Symposion des Forschungsinstituts für Wirtschaftsverfassung und Wettbewerb (FIW) in Innsbruck, das unter dem Leitthema „Wettbewerb 4.0 – Ordnungspolitik und Kartellrecht im Zeitalter der Digitalisierung“ stand, sprach Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts, zum Thema „Digitalisierung der Wirtschaft – Paradigmenwechsel in der Wettbewerbspolitik“ und ging dabei auch auf die bevorstehende GWB-Novelle ein.
Wesentliche Inhalte der Rede:
– Bei Märkten ohne Gegenleistungen: Die Annahme, unentgeltliche Dienstleistungen stellten keinen Markt dar, werde den Interdependenzen zwischen den entgeltlichen und unentgeltlichen Seiten nicht gerecht. So werde die unentgeltliche Seite durch Werbeeinnahmen bepreist. Auch müssten indirekte Netzwerkeffekte berücksichtigt werden. Dies entspreche auch der Praxis der EU-Kommission sowie der Amtspraxis bei den Immobilienportalfälle; unklar sei jedoch, wie die Gerichte dies ohne gesetzliche Klarstellung sehen würden.
– Marktmachtkriterien: Am bisherigen Maßstab der Marktbeherrschung solle festgehalten werden, allerdings wiesen Plattformen Besonderheiten auf (bestimmte Größenvorteile, direkte und indirekte Netzwerkeffekte), die sich im Gesetz niederschlagen sollten. Kriterien wie Größenvorteile (Multihoming, Plattformdifferenzierung) sollten im Gesetz erwähnt werden. Marktanteile blieben wichtig, allerdings weniger wichtig als in der „Offline-Welt“.
– Innovationsgetriebenheit: Innovationspotentiale sollten als eigenständiger Schutzgegenstand Berücksichtigung finden.
– Die Datenbewertung könnte gesetzlich fixiert werden.
– Während die Anwendung der Missbrauchskontrolle in der „neuen Welt“ schwieriger zu werden verspreche, so Mundt, legten einige Fälle in der Praxis (z. B. der WhatsApp-Kauf durch Facebook) Änderungen in der Fusionskontrolle nahe. Hier könnte daran gedacht werden, das Transaktionsvolumen als zusätzliche Aufgreifschwelle zu normieren.
Auf EU-Ebene sei entscheidend für die Rechtsanwendung, in welchem Umfang die Fallkonsistenz im ECN gesichert werden könne. Bestehende Divergenzen (Hotelportale, Vertikalfälle) solle man nicht künstlich aufbauschen. So werde insbesondere in den ECN-Subgroups über die Konsistenz von Fällen gesprochen. Es gebe eine hohe Konvergenz (z. B. bei der theorie of harm und Einschätzung ökonomischer Wettbewerbsschädlichkeit). Allerdings bestehe Uneinigkeit, wie weit man bei Abhilfemaßnahmen gehen könne. Die Diskussionen würden sich im Laufe der Zeit relativieren. Das ECN werde nicht an der Enge oder Breite von Best-Preis-Klauseln scheitern. Sicherlich müsse man die Fallverteilung im ECN weiter diskutieren. Märkte seien global, bestenfalls europäisch, selten national. Damit sei die EU oftmals die best placed Behörde bei Digitalfällen.
Ob man tatsächlich von einem Paradigmenwechsel sprechen könne, sei eine Frage der Perspektive und der Definition. Den Disruptionen in der Wirtschaft folgend, finde im Wettbewerbsrecht derzeit auch eine disruptive Evolution statt. Die alte Ordnungspolitik sei allerdings mitnichten tot, sie behalte ihren wahren Kern. Nur das Umfeld sei schwieriger geworden und die Anforderungen an die nationalen Wettbewerbsbehörden höher. Diese müssten ökonomischer denn je denken und die richtige Balance finden zwischen Eingriff und Nichteingreifen, schloss Mundt.