EU-Kommission: Studie zur Umsetzung und Effektivität von Abhilfemaßnahmen im EU-Wettbewerbsrecht und Bilanz
EU
Kartellverfahrensverordnung
Verbotsentscheidungen
Verpflichtungsentscheidungen
Einstweilige Maßnahmen
Abhilfemaßnahmen
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Die Studie „Ex post evaluation of the implementation and effectiveness of EU antitrust remedies“ zieht im Auftrag der EU-Kommission Bilanz über 20 Jahre wettbewerbsrechtlicher Abhilfemaßnahmen im Rahmen der Kartellverfahrensverordnung Nr. 1/2003, die die Durchsetzung der kartellrechtlichen Vorschriften in der Europäischen Union regelt. Die Studienautoren haben 12 repräsentative Fälle aus dem Zeitraum 2003 bis 2022 eingehend im Rahmen einer Ex-post-Evaluierung mit dem Ziel untersucht, die Wirksamkeit der Kartellpolitik und -praxis der Kommission in Fällen, in denen es zu Abhilfemaßnahmen gekommen ist, zu bewerten und mögliche Bereiche für Verbesserungen aufzuzeigen.
Die Autoren verfolgten dabei das Ziel, einerseits einen detaillierten Überblick über die Anwendung von Abhilfemaßnahmen zu gewinnen, die die Europäische Kommission auf Grundlage von Artikel 7 (Verbotsentscheidungen) und Artikel 9 (Verpflichtungsentscheidungen) der Verordnung 1/2003 erlassen hat. Andererseits sollten Muster sowie Schwachstellen in der praktischen Umsetzung dieser Maßnahmen herausgearbeitet werden. Dabei wurden Informationen aus juristischer und ökonomischer Literatur, Interviews mit Experten sowie ein eigens erstellter Datensatz herangezogen.
Die Autoren der Studie ziehen aus dieser Evaluierung die folgenden wesentlichen Schlüsse:
- Es wurden Abhilfemaßnahmen in der Regel vollständig umgesetzt, sie führten jedoch in weniger als der Hälfte der Fälle dazu, dass das angestrebte Ziel vollständig erreicht wurde.
- Bei rein verhaltensorientierten Abhilfemaßnahmen ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie vollständig umgesetzt werden und wirksam sind, geringer als bei anderen Formen von Abhilfemaßnahmen (das war nur bei drei von neun Entscheidungen der Fall). Die Studienersteller befürworten daher einen ausgewogeneren Ansatz bei der Anwendung von strukturellen und verhaltensbezogenen Abhilfemaßnahmen, um deren Wirksamkeit zu erhöhen.
- In der Studie wurde festgestellt, dass sich die Umsetzung und die Wirksamkeit der Abhilfemaßnahmen im Laufe der Zeit verbessert haben.
Auf Grundlage der Erkenntnisse werden Empfehlungen für die zukünftige Rechtsanwendung sowie für Anpassung der Verordnung Nr. 1/2003 entwickelt – insbesondere im Hinblick auf Artikel 7. Es wird empfohlen, die bestehende Nachrangigkeit struktureller Maßnahmen im Vergleich zu verhaltensbezogenen Maßnahmen aufzuheben (Artikel 7 Abs. 1, S. 3). Zudem sollten die Verfahren nach Auffassung der Studienautoren zeitlich optimiert werden, da eine rechtzeitige kartellrechtliche Entscheidung entscheidend für die Wirksamkeit der Abhilfemaßnahmen sei. Außerdem werden der flexible Einsatz von Markttests und eine Erstreckung dieser Test auf Art. 7-Verfahren sowie eine verstärkte Auferlegung von Berichtspflichten und die Einbindung von Überwachungstreuhändern befürwortet. Darüber hinaus solle die Kommission mehr auf die kooperativeren Artikel 9-Vergleiche und einstweilige Maßnahmen (Artikel 8) und weniger auf Verbotsentscheidungen (Artikel 7) zurückzugreifen.