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58. FIW-Symposion – Andreas Mundt zu „Aktuellen Herausforderungen in der Wettbewerbspolitik“

D FIW FIW-Symposion Rede Bundeskartellamt Mundt

Mit seinem Vortrag „Aktuelle Herausforderungen in der Wettbewerbspolitik“ eröffnete Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts, den ersten Tag des 58. FIW-Symposions in Innsbruck.

Mundt erläuterte die aktuelle Situation und die Herausforderungen, denen sich die Wettbewerbsbehörden weltweit gegenübersehen.

In den USA sei die Wettbewerbspolitik disruptiv und unberechenbar. Es gebe widersprüchliche Signale, da einerseits Maßnahmen gegen Big Tech fortgeführt werden sollen, andererseits eine freundliche Haltung gegenüber diesen Unternehmen bestehe. Eine jüngste Anweisung an das Finanz- und Handelsministerium betone, dass gescheiterte ausländische Volkswirtschaften nicht länger durch „erpresserische Machenschaften“ ausgebeutet werden dürften (vgl. dazu FIW-Bericht vom 26.02.2025). Auch sollen ausländische Digitalsteuern und Regelungen wie der DSA und der DMA einer genaueren Prüfung unterzogen werden. Andrew Ferguson, der neue Leiter der Federal Trade Commission habe die American Bar Association als „linksradikale Organisation“ bezeichnet und betont, dass Kommissare jederzeit entlassen werden könnten. Auch gebe es Vorschläge, den wettbewerblichen Teil der FTC ins DOJ zu überführen. Gail Slater – nominiert für die Position der stellvertretenden Generalstaatsanwältin für die Kartellabteilung des Justizministeriums (Assistant Attorney General) – plane, „mit dem Skalpell vorgehen und nicht mit dem Vorschlagshammer“. Da es sehr kostspielig sei, Fälle vor Gericht zu bringen (ca. 25 Mio. USD pro Fall), werde es vor allem um das Budget gehen. Elon Musk habe im sog. DOGE bereits angekündigt, dass Dutzende von Enforcern im DOJ entlassen werden sollen, was möglicherweise zu weniger Durchsetzungskraft im Kartellrecht führen könnte.

In Mexiko werde die Wettbewerbsbehörde COFECE ebenfalls stark bedrängt. Das Budget sei auf ein Drittel gekürzt und die Behörde mit dem Telekomregulator verschmolzen und ins Ministerium integriert worden. In Kolumbien gebe es keine arbeitsfähige Wettbewerbsbehörde mehr, und in Argentinien solle die Unabhängigkeit der Behörde reduziert werden. Im Vereinigten Königreich sei der Leiter der CMA, Markus Bokkering, gerade entlassen worden und es gebe Diskussionen darüber, wie die CMA zu mehr Wachstum beitragen könne.

In der EU werde die Innovationsschwäche aktuell teilweise auf ein zu strenges Wettbewerbsrecht zurückgeführt. Mundt äußerte „mixed feelings“ bezüglich des ersten Pakets für die Landwirtschaft, das große Teile der Landwirtschaft wettbewerbsfrei stellen werde (weitere Informationen unter: Kommission legt Fahrplan für einen florierenden Agrar- und Lebensmittelsektor in der EU vor). Wettbewerbskommissarin Ribera fordere, dass die GD Wettbewerb schneller und effizienter werden müsse. Den Draghi-Bericht sah Mundt als „brauchbar“ und insbesondere in Bezug auf eine einheitliche Regulierung im TK-Sektor als „richtig“ an. Erleichterte Fusionen von TK-Unternehmen im Inland befand Mundt als  „falsch“. Der Draghi-Bericht nehme Innovationen in den Blickpunkt. Mundt betonte, dass im Wettbewerbsrecht jetzt schon berücksichtigt werde, ob Innovationen zu Effizienzen führen könnten und ob der Innovationswettbewerb beeinträchtig werden könnte. Die Wirkung von Investitionszusagen seien als verhaltensbezogene Maßnahmen, die durchgesetzt werden müssten, schwer zu beurteilen.

In Deutschland komme die Fusionskontrolle zunehmend in den Blick. Unions-Chef Merz kritisiere, dass die Kommission zwei Fälle falsch entschieden habe (Untersagungen Siemens/Alstom und Deutsche Börse/Stock Exchange), während er – Mundt – diese Entscheidungen verteidige. Derzeit sei eine Diskussion über die Schaffung von EU-Champions und die Rolle der Industriepolitik im Gang. Laut Mundt habe der Fall Siemens/Alstom dazu geführt, dass jetzt zwei EU-Champions am Markt seien. Nach Ansicht von Mundt gebe es kein Spannungsfeld zwischen Industriepolitik und Wettbewerbspolitik. Champions sollten allerdings aus eigener Kraft entstehen und nicht durch falsche Marktabgrenzung. Die USA förderten im Übrigen den Militärbereich, der eine Quelle für Innovation sei, weil viel Geld geflossen sei. Die europäischen Hochschulen dürften aufgrund der geltenden ESG-Standards (Anm.:„Standards and Guidelines for Quality Assurance in the European Higher Education Area“, European Standards and Guidelines (ESG)) hingegen keine Forschung im militärischen Bereich unternehmen.

Das Instrument der Ministererlaubnis beurteilte Mundt skeptisch. Ein gutes Beispiel einer Ministererlaubnis sei Airbus, um das Monopol von Boeing zu brechen, während andere Fälle, wie EON/Ruhrgas, Edeka Kaiser Tengelmann und Miba/Zollern kritisch seien. Teilweise seien durch diese Ministererlaubnisse eine Monopolstellung geschaffen worden, hohe Lebensmittelpreise im LEH die Folge gewesen und Investitionszusagen durch eine Geschäftsverlagerung ins Ausland nicht eingelöst worden.

Von großer Aktualität seien Bedenken bezüglich Killer-Akquisitionen und der Frage, wie nationale ECN-Fälle nach Brüssel überwiesen werden sollen. Transaktionswertschwellen und Call-In-Modelle würden derzeit diskutiert. Nach den jüngsten Beschlüssen des OLG Düsseldorf bürge auch die Transaktionswertschwelle Fallstricke. Im Fall Meta/Kustomer, der beim BGH anhängig sei, sei die Inlandstätigkeit von Kustomer nicht als ausreichend angesehen worden. Bei den Erwerbsfällen von Adobe (Magento und Marketo), bei denen Adobe einen hohen Kaufpreis gezahlt habe, seien Entflechtungsverfahren eingeleitet worden, da die Fälle auf der Grundlage der Transaktionswertschwelle anmeldepflichtig gewesen seien. Das OLG habe beide Beschlüsse aufgehoben, da seiner Überzeugung nach die Transaktionswertschwelle nicht einschlägig gewesen sei. Zum einen habe nach einem 10-jährigen Marktangebot schon ein „reifer Markt“ vorgelegen habe, was das Marktpotential hinreichend widerspiegele. Zum anderen fehle es nach Lesart des Gerichts trotz vieler Firmenkunden in Deutschland an einer erheblichen Inlandstätigkeit, denn es käme auf die Nutzerzahlen an. Nach Ansicht von Mundt müsse die formelle Fusionskontrolle vorhersehbar und rechtssicher gehalten werden.

In Bezug auf die aktuellen Wahlprogramme erwähnte Mundt, dass die Union § 32f GWB wieder an einen Rechtsverstoß binden wolle. Er teilte mit, dass die neuen Eingriffsbefugnisse jetzt ganz konkret im Zusammenhang mit der Sektoruntersuchung „Raffinerien und Kraftstoffgroßhandel“ getestet würde. Es bestünde angesichts zu transparenter und zu weniger Preisnotierungen eine Manipulationsgefahr. Mundt teilte mit, dass am „heutigen Tage“ (05.03.) das Amt ein erstes Verfahren nach § 32f GWB mit Blick auf die Mineralölwirtschaft eingeleitet habe (vgl. dazu auch FIW-Bericht vom 24.02.25Sektoruntersuchung Raffinerien und Kraftstoffgroßhandel: Abschlussbericht BKartA – FIW Forschungsinstitut für Wirtschaftsverfassung).

Im digitalen Sektor treibe das BKartA seine Verfahren nach § 19a GWB voran. Google, Meta und Microsoft seien bereits nach § 19a GWB in den Blick genommen worden. Das Verfahren gegen Apple sei noch nicht rechtskräftig. Auch die Verfahren nach § 19a Absatz 2 würden zuende geführt werden. Das erste Verfahren gegen Meta sei abgeschlossen worden mit der Folge, dass Nutzer über ihre Daten besser bestimmen könnten. Beide Google Verfahren (Maps und Automotive Services) würden bald folgen. Auch das Verfahren gegen Amazon (Preiskontrollen auf dem Marketplace und darüber hinaus) werde massiv vorangetrieben. Auch das Verfahren gegen Apple (App Tracking Regelung ATTF) wegen deutlich erschwerten Zugangs für konkurrierende Anbieter von Apps zu relevanten Daten der Nutzer werde bald abgeschlossen werden.

Auf EU-Ebene habe der DMA „Kurs aufgenommen“. Künstliche Intelligenz könne vom DMA noch nicht erfasst werden, bei Cloud-Diensten sei das fraglich. Hier könne §19a GWB Vorteile bieten. 

Competition Advocacy sei eine wichtige Aufgabe des Amtes. Das Bundeskartellamt sei eine ermittelnde Behörde mit Beschlusskraft. Sie müsse bei einem (Anfangs-)Verdacht tätig werden. Die Unabhängigkeit des Amtes gelte – ähnlich der Unabhängigkeit eines Gerichts – seit jeher als „zementiert“. Die Akteneinsicht habe viele Auswirkungen auf die Competition Advocacy. Nach der Rechtsprechung (Lufthansa/Condor) habe es Bedenken bezüglich der Transparenz und der Dokumentation von Entscheidungen des Amtes gegeben („Besorgnis der Befangenheit gegen die Mitglieder der 9. Beschlussabteilung des Bundeskartellamts aufgrund verschiedener Fassungen eines Aktenvermerks“). Die Gebote der Aktenvollständigkeit und Aktenwahrheit seien richtig. Das schließe lückenlose Dokumentation und Transparenz ein. Allerdings seien die Akten des Amtes sehr umfangreich. Für den Schutz wechselseitiger Geschäftsgeheimnisse, der Kommunikation im ECN und der behördeninternen Kommunikation stehe KI/Digitalisierung nicht zur Verfügung. Es gebe keine „Bundes-Cloud“ und die E-Akte des Bundes könne im Bundeskartellamt mangels verschiedener Funktionalitäten nicht eingesetzt werden. Die unzureichende Digitalisierung der Behörden beeinträchtige die Effizienz. Auch der „Regulierer leide unter Regulierung“.

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