DOJ und FTC veröffentlichen Merger Guidelines 2023
DOJ
FTC
Fusionskontrolle
Leitlinien
Merger Guidelines: 2023 Merger Guidelines (justice.gov)
Sichtweise U.S.-amerikanischer Kanzleien (pars pro toto) – O’Melveny & Myers LLP: us_antitrust_agencies_issue_final_merger_guidelines_signal_continued_robust_enforcement.pdf (omm.com)
Das Justizministerium (DOJ) und die Federal Trade Commission (FTC) haben am 18. Dezember 2023 nach fast zweijähriger Überarbeitung die geänderten und erweiterten gemeinsamen Merger Guidelines 2023 für die U.S.-amerikanische Fusionskontrolle veröffentlicht. Diese sehen eine Reihe von Änderungen gegenüber den bisherigen Leitlinien von 2010 vor und sollen die aktuelle Praxis der Behörden bei der Fusionskontrolle widerspiegeln und die Transparenz für die beteiligten Unternehmen erhöhen. Die Leitlinien lassen erkennen, dass der strengere Maßstab der Biden-Administration bei der Prüfung von Fusionen in den Leitlinien fortgeführt wird. Zuvor wurde ein Konsultationsverfahren zu einem Leitlinienentwurf durchgeführt (vgl. FIW-Bericht vom 17.08.23). Die strenge Linie des Entwurfs gegenüber Fusionen wird in den finalen Leitlinien fortgeführt, allerdings legen diese größeres Gewicht auf die Marktmacht und weniger auf die Marktanteile. Auch bieten die Leitlinien mehr Klarheit in Bezug auf die Effizienzbeweise, die die fusionierenden Unternehmen vorlegen können, um den Schluss zu entkräften, dass ein Zusammenschluss den Wettbewerb beeinträchtigt.
Die wichtigsten Neuerungen sind Folgende:
- Die Rolle von Innovation und potenziellem Wettbewerb bei der
Fusionskontrolle wird betont, insbesondere bei Märkten mit hohen Eintrittsbarrieren oder dynamischen
Veränderungen.
- Der Anwendungsbereich wird auf vertikale und konglomerate Fusionen erweitert, die bisher nur in separaten Leitlinien behandelt wurden. Die Unterscheidung zwischen der Behandlung horizontaler und vertikaler Fusionen wird im finalen Text noch deutlicher hervorgehoben. Die stärkere Konzentration auf vertikale Transaktionen spiegelt die jüngste Durchsetzungsbilanz der Behörden bei Fusionen wider, die in den letzten fünf Jahren einen starken Anstieg der Anfechtungen von vertikalen Transaktionen verzeichnete, die in früheren Jahren weitaus seltener Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten waren.
- Die Methoden zur Marktdefinition und zur Berechnung von Marktanteilen und Konzentration werden angepasst, um die Besonderheiten von digitalen Märkten und Plattformen besser zu erfassen. Die Leitlinien betonen die Flexibilität der DOJ und der FTC bei der Definition eines kartellrechtlich relevanten Marktes. In den Leitlinien wird darauf hingewiesen, dass die Prüfbehörden die relevanten Märkte sehr eng definieren können und stellen die Behauptung auf, dass sogar „bedeutende Substitute“ außerhalb des relevanten Marktes liegen können, wenn es einen „wirksamen Wettbewerb“ zwischen einer kleineren Gruppe von Produkten gibt.
- Die Leitlinien enthalten zudem einen neue Markttest (SSNIPT-Test), der den Standard des Verbraucherwohls nicht mehr in den Mittelpunkt stellt, sondern auch andere schädliche Auswirkungen in den Blick nimmt, z. B. auf Arbeitnehmer oder Auftraggeber.
- Die Anmeldeschwellen des Herfindahl-Hirschman-Index (HHI) werden auf die niedrigeren Schwellenwerte der Leitlinien von 1982 herabgesetzt. Ein neuer Marktanteilstest besagt, dass ein Zusammenschluss, bei dem das fusionierte Unternehmen einen Marktanteil von mehr als 30 % hat und die Veränderung des HHI über 100 Punkte liegt, den Wettbewerb erheblich einschränkt oder zur Schaffung eines Monopols führt. In der Praxis wird diese Anpassung dazu führen, dass die Behörden wesentlich mehr Fusionen verbieten werden.
- Die Kriterien für Effizienzgewinne und Abhilfemaßnahmen werden angepasst. In den Leitlinien wird die Analyse der wirtschaftlichen Auswirkungen vernachlässigt, die Rolle von Effizienzbegründungen auf ein Minimum begrenzt und stattdessen der Schwerpunkt auf die Marktstruktur gelegt.
Die Leitlinien enthalten 11 Grundsätze, nachdem zwei weitere Grundsätze des Leitlinienentwurfs an anderer Stelle in das endgültige Dokument aufgenommen wurden. Im Einzelnen enthalten die Leitlinien die folgenden Grundsätze:
- Fusionen sollten die Konzentration in hochkonzentrierten Märkten nicht wesentlich erhöhen.
- Fusionen sollten den wesentlichen Wettbewerb zwischen Unternehmen nicht ausschalten.
- Fusionen sollten nicht das Risiko einer Koordinierung erhöhen;
- Fusionen sollten nicht dazu führen, dass ein potenzieller Marktteilnehmer auf einem konzentrierten Markt ausgeschaltet wird.
- Fusionen sollten den Wettbewerb nicht wesentlich einschränken, indem sie ein Unternehmen schaffen, das Produkte oder Dienstleistungen kontrolliert, die seine Konkurrenten für den Wettbewerb nutzen können.
- Fusionen sollten eine marktbeherrschende Stellung nicht verstärken oder ausweiten.
- Wenn in einem Wirtschaftszweig ein Trend zur Konsolidierung zu beobachten ist, prüfen die Wettbewerbsbehörden, ob dies das Risiko erhöht, dass ein Zusammenschluss den Wettbewerb erheblich einschränkt oder zur Schaffung eines Monopols führt.
- Wenn ein Zusammenschluss Teil einer Reihe von Mehrfachübernahmen ist, können die Behörden die gesamten Transaktionen untersuchen. Bei Feststellung eines Musters oder einer Unternehmensstrategie können die Behörden die kumulative Wirkung der Transaktionen berücksichtigen.
- Wenn eine Fusion eine mehrseitige Plattform betrifft, prüfen die Behörden den Wettbewerb zwischen Plattformen, auf einer Plattform oder zur Verdrängung einer Plattform.
- Wenn an einem Zusammenschluss Wettbewerber beteiligt sind, prüfen die Behörden, ob jener den Wettbewerb für Arbeitnehmer oder andere Verkäufer erheblich einschränken kann.
- Wenn ein Zusammenschluss Teileigentum oder Minderheitsbeteiligungen beinhaltet, untersuchen die Behörden die Auswirkungen auf den Wettbewerb.