Band 221
XII, 337 (62,- €)
ISBN: 978-3-452-27060-3
In der europäischen Wettbewerbspolitik hält seit einiger Zeit eine Entwicklung Einzug, durch die die Anwendung des Wettbewerbsrechts stärker ökonomisch fundiert werden soll. Bei diesem Reformprozess, der unter dem neuen Begriff des more economic approach firmiert, handelt es sich um den Versuch, die Wettbewerbspolitik stärker mit modernen ökonomischen Einsichten zu durchdringen. Der more economic approach zieht sich mittlerweile durch alle Bereiche des Wettbewerbsrechts. Eine ökonomischere Betrachtungsweise richtet die wettbewerbspolitische Beurteilung unternehmerischer Verhaltensweisen mehr an ihren konkreten Marktauswirkungen aus und rückt den Schutz der Konsumentenwohlfahrt in den Vordergrund der Wettbewerbsanalyse. Der damit verbundene Paradigmenwechsel ist nicht unwidersprochen geblieben, führt er doch zu einer Abkehr traditioneller Leitbilder und möglicherweise zu mehr Rechtsunsicherheit angesichts der Notwendigkeit von Einzelfallanalysen nach dem Auswirkungsprinzip.
Die in diesem Band vorgelegte Dissertation verfolgt das Ziel, ein Gesamtbild der Chancen und Risiken einer ökonomisierten Missbrauchskontrolle zu entwerfen, wobei der Verfasser den more economic approach als einen zulässigen und legitimen Ansatz für eine Rechtsfortbildung in der europäischen Missbrauchskontrolle erachtet. Neben Vorschlägen für eine moderne ökonomische Ausgestaltung der Missbrauchsaufsicht werden konkrete Entscheidungsvorschläge für verschiedene Fallgruppen des Behinderungsmissbrauchs auf der Basis ökonomisch fundierter Erkenntnisse unterbreitet. Am Ende der Analyse steht die Notwendigkeit einer »rechtsökonomischen Revision des Missbrauchstatbestands«.
Auch die Vorschläge der EU-Kommission im Jahr 2005 zu einer Reform der Missbrauchskontrolle sind Gegenstand der Untersuchung. Ganz aktuell hat die EU-Kommission im Dezember 2008 hierzu ihre seit einiger Zeit erwartete Mitteilung vorgelegt, mit der sie ihre Prioritäten bei der Anwendung von Artikel 82 des EG-Vertrags auf Fälle von Behinderungsmissbrauch durch marktbeherrschende Unternehmen näher erläutert. Auch wenn die neue Mitteilung nicht mehr Gegenstand dieser Arbeit sein konnte, hat die Kritik des Verfassers gegenüber den ursprünglichen Vorschlägen nicht an Aktualität oder Substanz eingebüßt, bleibt die neue Mitteilung doch hinter den Erwartungen zurück, die die Befürworter eines konsequent umzusetzenden more economic approach im Hinblick auf eine Neuauflage der Kommissionsvorschläge gehegt hatten.
Das FIW freut sich, mit dieser Arbeit eine Schrift vorzulegen, die in der aktuellen Diskussion um die normativen Grundlagen der europäischen Wettbewerbspolitik und um die Zielrichtung und Handhabe des neuen ökonomischen Ansatzes einen fundierten und weiter führenden Beitrag leistet und die rechtswissenschaftliche Diskussion auf einen neuen Stand bringt.