Band 268
XVII, 207 (56,- €)
ISBN: 978-3-452-29271-1
Gegenwärtig ist auf den Weltmärkten zu spüren, dass staatlich generierte „Marktmacht“ zu einem Ungleichgewicht der Marktkräfte führt, beispielsweise bei strategischen Übernahmen im Binnenmarkt. Nationale Champions werden in außereuropäischen Regionen häufig staatlich gegründet, gefördert und finanziert, während es vergleichsweise schwer ist, Europäische Champions mit Hilfe von Zusammenschlüssen zu bilden. Eingedenk dessen und angesichts geplanter Megafusionen europäischer Player werden im politischen Raum derzeit Forderungen laut, das Wettbewerbsrecht auf eine globalere Sichtweise und diese neuen Herausforderungen auszurichten. Hierbei werden auch Rufe laut, das Kriterium der Marktabgrenzung neu zu fassen, wie dies im Koalitionsvertrag 2018 von CDU, CSU und SPD niedergelegt ist. Der Präsident des Bundeskartellamtes sieht darin, wenn schon keinen Auftrag, zumindest einen „Appell an die Praxis (…), zweifellos wichtige Aspekte im Blick zu haben“ und gibt zu bedenken, dass Marktabgrenzung „keine politische Entscheidung, sondern ein ökonomischer Vorgang und ein Hilfsmittel für die Beurteilung der wettbewerblichen Wirkungen im Einzelfall“ sei. Gleichwohl werden neue Methoden anstelle der herkömmlichen Konzepte diskutiert, sogar ein Verzicht auf die Marktabgrenzung als solche, und die Möglichkeit erwogen, von „nicht leistungsgerechtem Verhalten mit Verdrängungswirkung“ sogleich auf Marktbeherrschung zu schließen.
Der Verfasser der an der Universität Siegen betreuten Dissertation widmet sich der räumlichen Marktabgrenzung speziell im Kontext der Zusammenschlusskontrolle und damit einem bisher wenig behandelten Thema, das allerdings derzeit in einem besonderen rechtspolitischen Fokus steht. Er konzentriert sich insbesondere auf einen weiteren Teilbereich der räumlichen Marktabgrenzung, nämlich auf die Konkretisierung entfernungsabhängiger Märkte. Dabei fragt er nach vorzugswürdigen Konzepten, nach der Relevanz und der Reichweite des in Deutschland angewandten Bedarfsmarktkonzepts und nimmt einen Rechtsvergleich mit dem europäischen und US-amerikanischen Recht vor. Neben einer gründlichen Aufarbeitung der der Marktabgrenzung zugrundeliegenden sozial-ökonomischen Begrifflichkeiten und Voraussetzungen bis hin zu einer Erörterung des Marktbegriffs selbst enthält die Arbeit innovative Lösungsansätze zur Ausweitung und Modifizierung des Bedarfsmarktkonzepts, um die Gegebenheiten in verschiedenen relevanten Märkten, etwa im Krankenhaussektor, akkurater abbilden zu können.
Das FIW freut sich, mit diesem Band ein Thema anzusprechen, das derzeit nicht nur in der Fusionskontrolle, sondern auch im Rahmen der Missbrauchsaufsicht angesichts der Vorschläge im Koalitionsvertrag neue Relevanz gewinnt. Der Band vereint rechtliches Neuland und praktische Nützlichkeit für die Arbeit der Kartellbehörden und Berater gleichermaßen, auch und gerade weil die Vorschläge von der langjährigen Praxis in Deutschland abweichen und in die Zukunft weisen. Wir wünschen dem Band daher besondere Aufmerksamkeit in der Wissenschaft und Wettbewerbspraxis.