Band 224
XIV, 350 (63,- €)
ISBN: 978-3-452-27209-6
Das Verbot der Doppelbestrafung (»ne bis in idem«) ist ein fundamentaler Grundsatz des modernen Strafprozesses, der in nahezu jeder Rechtsordnung enthalten ist. Die Ausgestaltung dieser grundlegenden rechtsstaatlichen Garantie wirft im Rahmen des Kartellsanktionsrechts in Europa einige Fragen und Probleme auf. Die Aufdeckung und Bebußung grenzübergreifender Kartelle haben in den letzten Jahren im Umfang deutlich zugenommen. Spiegelbildlich ist das Bedürfnis der betroffenen Unternehmen nach einem angemessenen verfahrensrechtlichen Schutz ausgeprägter geworden. Angesichts einer zunehmend dezentralen Anwendung der europäischen Wettbewerbskontrolle und möglicher paralleler Sanktionen auf Ebene der Mitgliedstaaten stellt sich vermehrt die Frage, ob das Doppelbestrafungsverbot der mehrfachen Ahndung kartellrechtlicher Wettbewerbsverstöße in verschiedenen Jurisdiktionen entgegensteht. Diese Frage berührt nicht nur das Verhältnis von Europäischer Gemeinschaft und Mitgliedstaaten, sondern auch das Verhältnis der verschiedenen Sanktionssysteme der einzelnen Mitgliedstaaten zueinander sowie zu Drittstaaten.
Die in dieser Schrift vorliegende Dissertation, die an der Universität St. Gallen entstanden ist, diskutiert, ob sich das Verbot der Doppelbestrafung auf das kartellrechtliche Bußgeldverfahren übertragen lässt und ob es auf Unternehmen als juristische Person wesensmäßig anwendbar ist. In einem ersten Teil werden die rechtlichen Probleme thematisiert, die sich aus der Kooperation dezentral operierender nationaler Wettbewerbsbehörden ergeben, während der zweite Teil auf die verfahrensrechtliche Relevanz des Grundsatzes »ne bis in idem« und seine Auslegung im europäischen Recht eingeht. Am Ende steht die Ablehnung einer direkten oder analogen Anwendung des »ne bis in idem«-Grundsatzes auf das Kartellsanktionsrecht. Dieses Ergebnis dürfte – angesichts des uneinheitlichen Meinungsstandes – die wissenschaftliche Diskussion weiter beflügeln. Für die Praxis bedeutsam wird zudem aufgezeigt, dass die Unternehmen gleichwohl nicht schutzlos sind: Ihnen stehen die allgemeinen rechtsstaatlichen Prinzipien zu Gebote, die in jedem kartellrechtlichen Verfahren zu beachten sind.