Band 244
VII, 95 (50,- €)
ISBN: 978-3-452-27969-9
Das 46. Innsbrucker Symposion stand unter dem Leitthema „Herausforderungen für die Wettbewerbsordnung – Kartellrecht zwischen Industriepolitik und Verbraucherschutz“ und beleuchtete verschiedene Facetten des „Leitbilds“ der Wettbewerbsordnung. Während die Regelungsziele des Kartellrechts dem Schutz gegen wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen dienen und gleichzeitig für transparente Marktstrukturen und diskriminierungsfreien Marktzugang sorgen, haben in letzter Zeit vor allem gesellschaftspolitische Zwecksetzungen Eingang in den Rechtsrahmen gefunden oder sind Anlass, diesen zu reformieren. Während sich diese Ziele vielfach ergänzen, stehen sie bisweilen im Widerspruch zueinander, was zu Konflikten führt. Wenn ordoliberales Gedankengut auf Ziele der Effizienz- und Konsumentenwohlfahrt trifft, berührt dies oftmals die Deutungshoheit über die „richtige“ oder zukunftsweisende Wettbewerbspolitik. Ziele, die eher im außerrechtlichen, ökonomischen Bereich fundieren, haben in den letzten Jahren -jedenfalls auf europäischer Ebene – deutlicher als Legitimationsgrundlage gedient. So scheint innerhalb der Europäischen Union bei Plänen, kollektive Rechtsschutzinstrumente im Kartellrecht einzuführen, der Verbraucherschutz eine entscheidende Rolle zu spielen. Die Frage, ob der geltende Rechtsrahmen nicht schon jetzt eine Vielzahl von Instrumenten zum Schutz von Markt- wie Individualinteressen bereit hält, scheint kaum noch gestellt zu werden. Anders allerdings Viviane Reding in ihrer Grußbotschaft: Aus ihrer Sicht gebe es keinen Bedarf für die Einführung kollektiver Rechtsschutzinstrumente, da das Verhältnis zwischen öffentlichem und privatem Rechtsschutz und die öffentliche Rechtsdurchsetzung in Europa gut funktioniere. Diese Auffassung scheint eine Ausnahme zu sein. Generell mangele es dem Wettbewerbsprinzip an Fürsprechern, weshalb perspektivisch die Neigung der Politik nahe liege, der Verbraucherpolitik de lege ferenda den Vorzug zu geben (Thomas Ackermann).
Für den nationalen Bereich trat Andreas Mundt für eine differenziertere Lesart des Verhältnisses von Wettbewerbspolitik, Industriepolitik und Verbraucherschutz ein. Neben der „Harmoniebeziehung“ zwischen den verschiedenen Zielen gebe es auch die Ebene der „ungewollten Konflikte“, die oft dann zum Vorschein träte, wenn gleiche Ziele mit konfligierenden Mitteln verfolgt würden. Philip Collins mahnte speziell an, dass die Kommission die nationalen Besonderheiten bei ihrer Gesetzgebung im Blick behalten müsse; anstelle einer Harmonisierung im Bereich der privaten Rechtsverfolgung sollte besser die Konvergenz der Verfahrensrechte auf nationaler Ebene vorangetrieben werden. Dass Konvergenzüberlegungen auch auf Brüsseler Ebene eine Rolle spielen, stellte Johannes Lübking anhand der aktuellen Überlegungen der Kommission an, künftig – wie in einigen nationalen Rechtsordnungen – Minderheitsbeteiligungen der Fusionskontrolle unterwerfen zu wollen. Dass die Frage nach dem richtigen Prüfungsmaßstab in der Fusionskontrolle auch in Deutschland stets neu gestellt wird, zeigte Wolfgang Kirchhoff anhand seiner Analyse der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Berücksichtigung potentiellen Wettbewerbs bei der fusionsrechtlichen Prognose auf. Carsten Becker erinnerte noch einmal daran, dass Gefahren für den Wettbewerb – und damit letztlich auch für den Verbraucher – vor allem aus fehlendem Wettbewerb resultierten und führte dies im konkreten Fall für die Kommunikation als verbotenem Anknüpfungspunkt kartellrechtlichen Verhaltens aus. Das Symposion schloss mit einer kritischen Betrachtung des u.s.-amerikanischen Behördenzuschnitts unter Effizienzgesichtspunkten (William Kovacic).
Das FIW freut sich, mit dem vorliegenden Band grundsätzliche Spannungsfelder des Wettbewerbsrechts adressieren zu können und wünscht dem Band eine interessierte Aufnahme bei seiner Leserschaft.