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EU: Enrico Letta veröffentlicht Bericht über den Binnenmarkt

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Bericht:  Enrico Letta – Much more than a market (April 2024) (europa.eu)

 

Am 18. April 2024 hat der ehemalige italienische Ministerpräsident Enrico Letta seinen Bericht „Much more than a market“ zum EU-Binnenmarkt vorlegt, in dem dieser untersucht, wie das Potenzial des EU-Binnenmarkts besser genutzt werden könne. In einem nächsten Schritt werden auf Grundlage des Berichts zwischen den Mitgliedstaaten Schlussfolgerungen abgestimmt, die beim Wettbewerbsfähigkeitsrat am 24. Mai 2024 angenommen werden sollen. 

Der Bericht hebt hervor, dass der EU-Binnenmarkt weiterentwickelt werden sollte, um sich an die geopolitischen Gegebenheiten und Verwerfungen anzupassen. Er schlägt auch vor, dass Europa und die USA darüber hinaus einen gemeinsamen transatlantischen Binnenmarkt schaffen sollten. Dabei müsse der EU-Binnenmarkt weiterhin auf den Grundprinzipien des fairen Wettbewerbs sowie der Kooperation und Solidarität fußen. Der Bericht unterbreitet verschiedene Vorschläge zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und Vertiefung des Binnenmarktes und behandelt eine Reihe von möglichen Handlungsfeldern, darunter KMU, Bürokratieabbau, Energiebinnenmarkt, Forschung, Innovation, Bildung, Wirtschaft, Finanzen, Sozialpolitik und Digitales. Letta schlägt vor, neben den bestehenden Grundfreiheiten für Dienstleistungen, Kapital, Personen und Warenverkehr eine fünfte Grundfreiheit für Forschung und Innovation einzuführen. Die EU müsse ihre Produktionskapazitäten in der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie ausbauen. Daneben fordert er eine weitere Harmonisierung im Energie-, Digital- und Finanzbereich und eine Beschleunigung des innereuropäischen Infrastrukturbereichs. Außerdem fordert er, die Berichtspflichten für Unternehmen zu reduzieren und schnellere Genehmigungsverfahren. 

Im Fokus: Wettbewerbs- und Beihilfenrecht (insb. S. 27f, 40, 51)

Im Wettbewerbsrecht spricht sich Letta für eine Skalierung von Unternehmen im Sinne eines Wachstums (Up-Scaling) aus, damit diese ihre globale Wettbewerbsfähigkeit verbessern – allerdings nicht auf Kosten eines fairen Wettbewerbs. Gerade in globalen strategischen Sektoren bräuchten Unternehmen zusätzlich die Größe und Reichweite eines vollständig integrierten EU-Marktes. Nationale Märkte, die einst zum Schutz der heimischen Industrie geschaffen wurden, behinderten heute das Wachstumspotenzial der Unternehmen. Innerhalb des Binnenmarktes müssten die gleichen Wettbewerbsbedingungen gelten. Nach Lettas Ansicht sind Märkte oft global, und strukturelle Veränderungen in der globalen Wirtschaft müssten daher auch schon bei der Marktdefinition berücksichtigt werden. 

Im Beihilferecht gibt es in dem Bericht deutlich mehr Vorschläge als zum Wettbewerbsrecht. Letta betont, dass staatliche Beihilfen grundsätzlich dazu geeignet seien, den EU-Binnenmarkt aus der Sicht des Wettbewerbs zu fragmentieren, Beihilfen andererseits aber eine (proportionale) Antwort auf Marktversagen darstellten. Gerade die unterschiedlichen steuerlichen Spielräume der Mitgliedstaaten erhöhten allerdings die Gefahr für Wettbewerbsverzerrungen. Dies könne mit einem sog. Verteilungsmechanismus (State Aid Contribution Mechanism) verhindert werden. Dieser könne vorsehen, dass Beihilfen schrittweise auf EU-Ebene verlagert würden. So sollten Mitgliedstaaten dazu verpflichtet werden, einen Teil ihrer nationalen Mittel für die Finanzierung europaweiter Initiativen bereitzustellen. 

Um einen stärker europäisch ausgerichteten Ansatz für Investitionen und Industriestrategien zu gewährleisten, sollten in dem dafür vorgesehenen Rahmen gemeinsame Bedingungen für die Auszahlung der Mittel festgelegt werden. Diese sollten Anliegen wie der wirtschaftlichen Sicherheit, Umwelt, dem menschlichen Wohlergehen, Arbeitnehmerrechten, guter Regierungsführung und einer Rechenschaftspflicht Rechnung tragen. Bei diesen gemeinsamen Bedingungen sollten möglichst gleiche Kritierien in jedem Mitgliedstaat vorherrschen, um einen „State Aid Shopping“ zu verhindern. Begleitet sollte dieser Rahmen von einer Governance-Struktur, die in der Lage sei, Projekte im Bereich der staatlichen Beihilfen wirksam zu ermitteln, zu entwickeln, umzusetzen und zu bewerten. Auch sollte überlegt werden, welche der noch geltenden Freistellungen und Ausnahmeregelungen, die Ende 2025 auslaufen, danach in ein einheitliches Governance-System integriert werden  könnten. 

Die Vorschläge Lettas zu den wichtigen Projekten von gemeinsamem europäischem Interesse (IPCEI) sehen eine deutliche Erweiterung (auch über die erste industrielle Anwendung hinaus) vor. Damit soll dem Marktversagen im industriellen Bereich entgegengearbeitet werden. Für viele industriepolitische Ambitionen der EU könne das IPCEI-Modell nach Ansicht Lettas „als Blaupause“ dienen, da es bereits einen europäischen Ansatz für die Politikgestaltung beinhalte.

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