Kommission
Kartellverfolgung
Whistleblowing
Die EU-Kommission hat am 16. März 2017 ein Whistleblowing-Programm (Hinweisgebersystem) für die Meldung von Kartellrechtsverstößen eingeführt. Das neue Instrument soll Einzelpersonen ermöglichen, sich direkt mit der Europäischen Kommission in Verbindung zu setzen, um Hinweise zu möglichen Kartellabsprachen oder anderen Wettbewerbsverstößen zu geben. Beispielhaft nennt die Kommission Absprachen bei Preisen oder bei Preisangeboten im Rahmen von Ausschreibungen, das Zurückhalten von Produkten vom Markt oder den ungerechtfertigten Ausschluss von Wettbewerbern.
Die Hinweisgeber können sich entweder persönlich, über eine direkte Email-Verbindung oder Telefonnummer bei der EU-Kommission melden oder aber die Entscheidung treffen, während des gesamten Verfahrens anonym zu bleiben. Für diesen Fall hat die Kommission ein verschlüsseltes Mitteilungssystem entwickelt, das eine wechselseitige Kommunikation über einen externen Dienstleister ermöglicht. Metadaten, die Rückschlüsse auf die Identität des Absenders der Informationen zulassen könnten, werden nicht übermittelt. Der Dienst ist über die Website https://ec.europa.eu/competition/cartels/whistleblower/index.html zugänglich.
Die Kommission erhofft sich durch das neue Instrument nicht nur eine Ergänzung des bestehenden Kronzeugenprogrammes und die Möglichkeit leichter an Insiderwissen zu begangenen Kartellverstößen zu gelangen, sondern erwartet auch eine abschreckende Wirkung durch das Hinweisgebersystem, durch das Unternehmen von vornherein davon abgehalten werden sollen, in Kartelle einzusteigen.
Parallel führt die Kommission bis zum 29. Mai 2017 eine öffentliche Konsultation zum Schutz von Whistleblowern auch in anderen Themengebieten als dem Kartellrecht durch.
https://ec.europa.eu/newsroom/just/item-detail.cfm?item_id=54254
National (Deutschland):
Das Bundeskartellamt hat bereits seit dem 1. Juni 2012 ein elektronisches System zur Entgegennahme von anonymen Hinweisen auf Kartellverstöße eingerichtet. Es soll die Anonymität von Informanten garantieren und eine fortlaufende wechselseitige Kommunikation mit Ermittlern des Bundeskartellamts über einen geschützten elektronischen Briefkasten ermöglichen. Im Zeitraum von Juni 2012 bis Dezember 2016 sind bei 55.582 Zugriffen auf die Startseite des Hinweisgebersystems insgesamt 1.420 Hinweise eingegangen, von denen einige zur Einleitung von (Bußgeld-)Verfahren geführt haben
Hintergrund:
Da Kartelle oft im Verborgenen stattfinden, kommt dem Insider-Wissen bei der Aufdeckung und Zerschlagung der Kartelle eine entscheidende Bedeutung zu. Das System gibt insbesondere für das Anfangsstadium der Ermittlungen Unternehmensmitarbeitern und anderen Beschwerdeführern, die sich aus Furcht vor Repressalien bislang beim Kartellamt nicht gemeldet haben, eine Möglichkeit, dem Bundeskartellamt einen Sachverhalt zu schildern und dadurch die Kartellverfolgung zu unterstützen. Hinweisgeber können somit Kartellbetroffene, Eingeweihte oder mitwissende Unternehmensmitarbeiter sein. Kartellbeteiligte werden sicherlich nicht selbst als Hinweisgeber fungieren, sondern – wegen der Möglichkeit eines Bußgelderlasses oder – ermäßigung bei Inanspruchnahme des Bonusprogramms – weiterhin den Weg als Kronzeuge einschlagen. Das Hinweisgebersystem bringt jedoch für Kartellbeteiligte ein gesteigertes Risiko mit sich, da nur das erste Unternehmen, das sich im Rahmen des Bonusprogramms beim Kartellamt meldet, einen Bußgelderlass erreichen kann. Dafür muss es jedoch das Kartell aufdecken. Kommen nun einschlägige Hinweise zuerst von dritter Seite, dürften sich dadurch die Anreize für die Kartellbeteiligten weiter erhöhen, das Bonusprogramm des Amtes in Anspruch zu nehmen und Kartelle selbst als Kronzeuge offenzulegen.