Europäische Kommission
Marktdefinition
Bekanntmachung
Die EU-Kommission hat am 8. November 2022 den Entwurf einer überarbeiteten Bekanntmachung über die Marktdefinition veröffentlicht. Die Konsultation geht noch bis zum 13. Januar 2023. Die Kommission konsultierte dazu bereits die Öffentlichkeit in den Jahren 2020 bis 2022 (vgl. dazu FIW-Berichte vom 29.04.20, 05.08.21 und 14.02.22).
Hintergrund:
Die EU-Wettbewerbsregeln beruhen auf einer gemeinsamen Definition des Marktes, insbesondere des Konzepts des „sachlich relevanten Produktmarkts“ und des „geografisch relevanten Markts“. Die Kommission hat diese Konzepte in ihrer Bekanntmachung von 1997 definiert, damit der Wettbewerb zwischen Unternehmen besser abgegrenzt werden kann. Der Marktdefinition kommt in allen Bereichen des Wettbewerbsrechts eine besondere Bedeutung zu. Die Bekanntmachung soll vor allem eine Orientierungshilfe dafür bieten, wie die Kommission das Konzept des sachlich und räumlich relevanten Marktes bei der Durchsetzung des Wettbewerbsrechts anwendet.
Insbesondere die fusionskontrollrechtliche Entscheidung im Fall „Siemens/Alstom“ (Zeithorizont der Prognose des potenziellen Wettbewerbs) hat Fragen nach der Aktualität der Bekanntmachung provoziert und die Frage nach einer stärkeren Berücksichtigung des globalen Wettbewerbs durch drittstaatliche Akteure in den Fokus einer wettbewerbspolitischen Debatte gerückt.
In der Bekanntmachung über die Marktdefinition wird erläutert, welche Grundsätze und bewährten Vorgehensweisen die Kommission bei der Anwendung des Konzepts des sachlich und räumlich relevanten Marktes zur Durchsetzung des EU-Wettbewerbsrechts zugrunde legt. Die Marktdefinition ist dabei ein Instrument zur Ermittlung und Abgrenzung der Grenzen des Wettbewerbs zwischen Unternehmen. Ziel der Definition des sachlich und räumlich relevanten Marktes ist es, die tatsächlichen Wettbewerber zu ermitteln, die in der Lage sind, die geschäftlichen Entscheidungen der beteiligten Unternehmen zu beeinflussen. Unter diesem Gesichtspunkt ermöglicht die Marktdefinition u. a. die Berechnung von Marktanteilen, um aussagekräftige Informationen für die Bewertung der Marktmacht erhalten.
Die EU-Kommission beabsichtigt insbesondere, neue oder zusätzliche Orientierungshilfen zu verschiedenen wichtigen Fragen der Marktabgrenzung zu geben. Sie schlägt in dem Entwurf folgende Änderungen vor:
- Erläuterungen zu den Grundsätzen der Marktdefinition und zur Art und Weise, wie die Märkte zum Zwecke der Anwendung der Wettbewerbsregeln abgegrenzt werden.
- Stärkere Betonung nichtpreislicher Elemente wie Innovation und Qualität von Produkten und Dienstleistungen.
- Klarstellungen in Bezug auf die vorausschauende Anwendung der Marktdefinition, insbesondere im Falle von Märkten, auf denen mit strukturellen Veränderungen wie technologischen oder regulatorischen Veränderungen zu rechnen ist.
- Neue Orientierung in Bezug auf die Marktdefinition in digitalen Märkten, z. B. mehrseitige Märkte und „digitale Ökosysteme“.
- Neue Grundsätze für innovationsintensive Märkte, wo klargestellt wird, wie Märkte zu bewerten sind, auf denen Unternehmen mittels Innovation konkurrieren, auch durch Pipeline-Produkte.
- Weitere Orientierungshilfen zur Abgrenzung des räumlichen Marktes, einschließlich der Voraussetzungen für die Abgrenzung weltweiter Märkte, zur Bewertung der Einfuhren sowie des Konzepts der Kommission zur Abgrenzung lokaler Märkte nach Einzugsgebieten.
- Ausführungen zu den quantitativen Techniken wie der Bewertung der Folgen einer geringfügigen, aber signifikanten und anhaltenden Preiserhöhung („SSNIP-Test“), die die Kommission bei der Abgrenzung eines Marktes anwenden kann.
- Orientierungshilfen zu Nachweisquellen und ihrem Beweiswert auf der Grundlage der materiellrechtlichen Erfahrungen der Kommission und ihres faktengestützten Ansatzes bei der Marktdefinition.
Nächste Schritte:
Die neue Bekanntmachung über die Marktdefinition soll im dritten Quartal 2023 in Kraft treten.