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EU
EuGH
Kartellrecht
Kronzeugenregelung

Der Europäische Gerichtshof hat am 20. Januar 2016 ein Urteil zur Reichweite kartellrechtlicher Kronzeugenanträge erlassen (Aktenzeichen C-428/14, DHL Express (Italy) und DHL Global Forwarding (Italy). Kernthema des Verfahrens war die Frage, ob ein bei der Europäischen Kommission gestellter Kronzeugenantrag Wirkung vor nationalen Wettbewerbsbehörden entfaltet. Der EuGH entschied, dass die Kronzeugenregelungen im Europäischen Wettbewerbsnetz unabhängig voneinander gelten und keine wechselseitigen rechtlichen Konsequenzen hätten. Auch das ECN-Kronzeugenregelungsmodell sei für nationale Wettbewerbsbehörden nicht verbindlich. Mangels eines One-Stop-Shop der Kronzeugenanträge kommt es für die Unternehmen daher darauf an, bei allen für die Ermittlung in Betracht kommenden Behörden möglichst frühzeitig einen vollständigen Kronzeugenantrag einzureichen.

Im konkreten Fall hatten zwei italienische DHL-Gesellschaften gegen eine Entscheidung der italienischen Wettbewerbsbehörde AGCM geklagt, nach der DHL als Kronzeuge kein vollständiger Bußgelderlass gewährt worden war. DHL hatte einen Kronzeugenantrag bei der Kommission und einen – nicht alle Bereiche des Kartells umfassenden – Kurzantrag bei der italienischen Behörde gestellt. Da die Kommission nur in einem Teilbereich des Kartells ermittelte (Luftfrachtbereich), übernahm die italienische Behörde die Ermittlungen in weiteren Bereichen (Straßengütertransport). Diesen Bereich hatte der Kurzantrag von DHL bei der AGCM aus Sicht der italienischen Behörde nicht abgedeckt. Aus diesem Grund erhielt nicht DHL den vollen Bußgelderlass als erster Kronzeuge, sondern Schenker Italiana, das nach DHL einen umfassenderen Antrag bei der AGCM gestellt hatte. Der DHL-Antrag bei der Kommission musste nach dem Urteil des EuGH von der italienischen Wettbewerbsbehörde nicht berücksichtigt werden.

Das Urteil kommt zu einem Zeitpunkt, in dem die Europäische Kommission aktuell über die Befugnisse nationaler Wettbewerbsbehörden – auch in Hinblick auf Kronzeugenprogramme und Mehrfachanmeldungen bei verschiedenen Behörden – konsultiert. Nach Auswertung der Konsultationsergebnisse wird die Kommission mit hoher Wahrscheinlichkeit legislative Maßnahmen vorschlagen. Die Konsultationsfragen sind unter https://ec.europa.eu/competition/consultations/2015_effective_enforcers/index_de.html abzurufen. Fristablauf ist der 12. Februar 2016.

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