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Frankfurter Institut für das Recht der EU
Kartellrecht
Nicht-wettbewerbliche Ziele

Am 27. Mai 2019 wurde in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften bei einem vom Frankfurter Institut für das Recht der EU (kurz:„fireu“) veranstalteten Fachgespräch die Frage diskutiert, ob und inwieweit die Berücksichtigung nicht-wettbewerblicher Ziele in der Kartellrechtspraxis möglich oder sogar geboten ist.

Die Veranstaltung wurde von Prof. Dr. Brömmelmeyer, geschäftsführender Direktor des fireu, und Prof. Dr. Lübbig, Partner bei Freshfields Bruckhaus Deringer, eröffnet. Hierbei wurde bereits die wachsende Herausforderung für die Industrie durch nicht-wettbewerbliche Ziele – beispielsweise Nachhaltigkeit, Umweltschutz, Datenschutz und Menschenrechtsgesichtspunkte – deutlich. Lübbig betonte, dass neben der Einhaltung des Rechts vermehrt soziale und gemeinwohlorientierte Erwartungen an die Unternehmen gestellt würden. Erfüllten sie diese Erwartungen, etwa durch die Festschreibung sozialerer Produktionsstandards in Selbstverpflichtungserklärungen oder Branchenkodizes, drohten ihnen möglicherweise Sanktionen durch die Kartellbehörden wegen eines Verstoßes gegen das Kartellrecht.

Deshalb – so Prof. Dr. Thomas, Universitätsprofessor an der Universität Tübingen – werde der im Wettbewerbsrecht vorherrschende Consumer-Welfare-Ansatz in den USA und Europa zunehmend kritisiert. Statt einer Beschränkung auf Wettbewerb und Preiseffekte sollten in der kartellrechtlichen Prüfung den Kritikern zufolge vermehrt soziale und gemeinwohlorientierte Aspekte Berücksichtigung finden. Thomas stand einer solchen Berücksichtigung nicht-wettbewerblicher Ziele nach geltender Rechtslage skeptisch gegenüber, da der tradierte Consumer-Welfare-Ansatz eindeutig im Kartellrecht angelegt sei. Dies zeige insbesondere Art. 101 AEUV. Demnach dürften die Kartellbehörden weder wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen zugunsten nicht-wettbewerblicher Ziele legitimieren, noch dürften sie Verhaltensweisen, die zwar nicht-wettbewerbliche Ziele missachten, aber nicht zu Wettbewerbsbeschränkungen führen, sanktionieren. Vor dem Hintergrund beurteilte er auch die im vergangenen Februar ergangene Entscheidung des Bundeskartellamts kritisch, in der das Amt Facebook die Zusammenführung von Nutzerdaten untersagte und damit datenschutzrechtliche Aspekte in der kartellrechtlichen Prüfung zugrunde gelegt habe. Weitere Argumente, die gegen die Verfolgung nicht-wettbewerblicher Ziele im Kartellrecht sprächen, seien potenzielle Kompetenzkonflikte zwischen Kartellbehörden und anderen Behörden sowie die Schwierigkeit der Definition und Gewichtung derartiger Ziele. Damit könnten die Gefährdung der politischen Unabhängigkeit der Kartellbehörden sowie der Legitimation ihrer Entscheidungen einhergehen. Nur ausnahmsweise hielt Thomas eine Berücksichtigung nicht-wettbewerblicher Ziele über eine Freistellungsentscheidung im Einzelfall für möglich.

Prof. Dr. Bornkamm, Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof a.D., rückte schließlich die kartellrechtliche Zulässigkeit von Verhaltenskodizes in den Fokus seines Vortrags. Vermehrt verabredeten Unternehmen darin, nicht-wettbewerbliche Ziele zu verfolgen. Diese Praxis beurteilte Bornkamm insbesondere deshalb mit Blick auf das Kartellverbot problematisch, da Verhaltenskodizes keine Grundlage im geltenden Wettbewerbsrecht fänden. In dem Zusammenhang rekurrierte er auf zwei Entscheidungen des BGH zu Wettbewerbsregeln von Berufsverbänden, die er für bedenklich hielt – zum einen das Urteil „Probeabonnement“ vom 7. Februar 2006, zum anderen das Urteil „FSA-Kodex“ vom 9. September 2010.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass beide Referenten das Ziel des geltenden Kartellrechts trotz veränderter gesellschaftlicher Herausforderungen im Schutz von Wettbewerb und Konsumentenwohlfahrt sahen und einer Förderung nicht-wettbewerblicher Ziele durch das Kartellrecht kritisch gegenüberstanden.

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