Gutachten zum Thema „Kartellrecht und Nachhaltigkeit“ des Wissenschaftlichen Beirats beim BMWK
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12. GWB-Novelle
PM des Wissenschaftlichen Beitrats beim BMWK: Gutachten zum Thema „Kartellrecht und Nachhaltigkeit“ veröffentlicht
Gutachten: Kartellrecht und Nachhaltigkeit (bmwk.de) Kartellrecht und Nachhaltigkeit (bmwk.de)
Am 5. Juli 2024 hat der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) ein Gutachten zum Thema „Kartellrecht und Nachhaltigkeit“ veröffentlicht. Federführend für das Gutachten war Prof. Bechtold (ETH Zürich), das sich mit der Frage befasst, in welcher Weise das Kartellrecht zur Verfolgung von Nachhaltigkeitszielen verwendet werden kann und ob das Kartellrecht reformiert werden sollte, um die Transformation zu einer nachhaltigeren Gesellschaft zu unterstützen. Diese Fragestellung spielt auch vor dem Hintergrund der angekündigten 12. GWB-Novelle („Effizienzverbesserungs-Gesetz“) eine Rolle. Dem Vernehmen nach plant das BMWK, den Unternehmen mehr Spielraum für Umweltschutzkooperationen einzuräumen, als es die EU-Horizontal-Leitlinien für die europäische Ebene zulassen. So sollen im GWB „out-of-market-efficiencies“ (Vorteile außerhalb des relevanten Marktes) im Rahmen der Freistellung vom Kartellverbot bei Umweltschutzkooperationen künftig breiter berücksichtigt werden.
Der Wissenschaftliche Beirat verfolgt mit seinem Gutachten allerdings einen gegenteiligen Kurs. So zeigen die Gutachter auf, dass das deutsche und europäische Kartellrecht schon heute vielfältige Möglichkeiten bietet, um Nachhaltigkeitsaspekte in der Anwendung durch Behörden und Gerichte zu berücksichtigen. Eine darüber hinausgehende Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten lehnt der Beirat ab: „Die Vorstellung, dass eine Beschränkung des Wettbewerbs zu einer Verbesserung der Nachhaltigkeit führt, geht in aller Regel fehl. Indem das Kartellrecht den Wettbewerb an sich schützt, ermöglicht es Innovationsprozesse, die auch Nachhaltigkeitszielen nützen.“ So spricht sich der Beirat auch gegen ein „Internalisierungsgebot“ aus, wonach außerwettbewerbliche Vorschriften in Zielvorstellungen des Kartellrechts transformiert werden. Befürchtet wird vor allem eine Politisierung des Kartellrechts und ein Verschieben der Aufgabenverteilung von Politik und Markt.
Die geänderten europäischen Horizontalleitlinien seien insofern ausreichend, als sie „safe harbors“ für den Informationsaustausch zwischen Unternehmen und für die Setzung von Standards bei Nachhaltigkeitsvereinbarungen schafften. Der Beirat plädiert dafür, die Kartellbehörden weiterhin auf den Schutz des Wettbewerbsprinzips und die Wahrung der Verbraucherwohlfahrt zu beschränken. Daneben spricht er sich für eine Erhöhung der Rechtssicherheit bei der Beurteilung von Nachhaltigkeitsvereinbarungen durch die Entwicklung von Leitlinien der Kartellbehörden aus. Auch sollten im Rahmen des Konzepts der Verbraucherwohlfahrt ökonomische Methoden zur umfassenderen Beurteilung von Effizienzgewinnen für die Praxis standardisiert werden. Kooperationen zwischen Wettbewerbern, die zu Nachteilen für die Verbraucher führen, die von der Initiative betroffen sind, sollten Wettbewerbsbehörden nicht zulassen.