Bundeskartellamt
Jahresbericht
Tätigkeitsbericht
Das Bundeskartellamt hatte am 27. Juni 2019 seinen Tätigkeitsbericht für die Jahre 2017/2018 sowie seinen Jahresbericht 2018 über seine Aktivitäten in den Berichtszeiträumen veröffentlicht. Im Jahresbericht werden die Themengebiete und die Arbeit der einzelnen Beschlussabteilungen näher dargestellt, während der Tätigkeitsbericht auf 180 Seiten die wettbewerblichen Entwicklungen und die wettbewerbspolitische Lage in Deutschland und Europa aufzeigt und auch über die Tätigkeit der Vergabekammern berichtet.
Im Einzelnen zu ausgewählten Bereichen:
Digitalisierung der Märkte
Ein deutlicher Schwerpunkt des Amtes im Berichtszeitraum lag auf der Untersuchung von Fällen zu digitalen Plattformmärkten und Netzwerken. Das Kartellamt geht in seinem Bericht auf die Bedeutung von Daten und Algorithmen im Kartellrecht ein, auf den Vertrieb im Internet, Plattformverbote oder Internetvertriebsbeschränkungen durch Plattformen und
stellt jeweils die Fallpraxis und den aktuellen Diskussionsstand dar. Auch das Verfahren gegen Facebook und die dort getroffenen Überlegungen zur Schnittstelle von Kartellrecht und Datenschutz werden ausführlich dargestellt. Zum besseren Verständnis digitaler Märkte arbeitet das Amt gemeinsam mit der französischen Wettbewerbsbehörde an einem Papier
zum Thema „Wettbewerb und Algorithmen“. Die Sektoruntersuchung des Bundeskartellamtes zum Thema Online-Werbung soll ein besseres Verständnis der digitalen Werbemärkte ermöglichen.
Das Bundeskartellamt verfolgt auch die Vorarbeiten zur 10. GWB-Novelle eng mit. Hier wird unter anderem diskutiert, ob eine Modernisierung der Missbrauchsaufsicht für marktmächtige Unternehmen – gerade mit Blick auf die digitale Ökonomie – erforderlich ist. Das Bundeskartellamt hat seinen jährlichen Arbeitskreis Kartellrecht im Jahr 2018 diesem Thema gewidmet. Im Zentrum der Überlegungen zur Missbrauchsaufsicht steht der Umgang mit der Marktmacht digitaler Plattformen. Es werde darüber nachgedacht, wie die besondere Stellung, die solche Intermediäre als „Gatekeeper“ zwischen den Marktseiten einnehmen, im Gesetz besser abgebildet werden kann. Auch sollten neue Arten von Abhängigkeitsverhältnissen besser erfasst werden. Denn zum einen habe sich gezeigt, dass auch größere Unternehmen von digitalen Plattformen abhängig sein können, weshalb über eine Weitung der Regeln zur relativen Marktmacht nachzudenken sei. Zum anderen könne eine Abhängigkeit in der digitalen Wirtschaft auch daraus folgen, dass ein Unternehmen auf Daten angewiesen ist, die von einem anderen Unternehmen kontrolliert werden.
Neuartige Geschäftsmodelle und Kooperationen
Im Berichtszeitraum hat der Austausch mit Unternehmen über die wettbewerbliche Relevanz neuartiger Kooperationsformen zugenommen. Dies wird durch das Bundeskartellamt begrüßt. Das Amt sei offen dafür, sich konkrete Projekte vorstellen zu lassen und kartellrechtlich zu begleiten, um die beteiligten Unternehmen bei der Herstellung von Rechtssicherheit für ihre Planungen zu unterstützen. Gerade mittelständische Unternehmen, die gemeinsam digitale Plattformen – etwa im Vertrieb – aufbauen und damit wichtige Effizienzen erzielen möchten, hätten hieran vielfach ein Interesse. Teilweise konnte den Unternehmen zeitnah mitgeteilt werden, dass die vorgestellte Kooperation nach einer ersten Einschätzung keinen Anlass für eine vertiefte Prüfung gibt. In einzelnen Fällen konnten auch Hinweise gegeben werden, wie Kooperationsprojekte mit geringen Modifikationen wettbewerbskonform gestaltet werden können.
Verbraucherschutz
Die dem Amt mit der 9. GWB-Novelle eingeräumten Befugnisse für einen behördlichen Verbraucherschutz werden näher erläutert. Hierzu gehören Sektoruntersuchungen und „amicus curiae“-Befugnisse. Allerdings wären nach Ansicht des Amtes ergänzende behördliche Befugnisse zur Abstellung von Verstößen äußerst hilfreich, um die Verbraucher wirksam schützen zu können.
ECN+-Richtlinie
Die „ECN+“-Richtlinie muss nun durch die 10. GWB-Novelle in deutsches Recht umgesetzt werden. Das Bundeskartellamt weist darauf hin, dass Unternehmen und ihre Vertreter künftig über die bisherige Rechtslage hinaus verpflichtet werden können, umfassende Auskünfte zu erteilen.
Fusionskontrolle
In den Jahren 2017 und 2018 sind insgesamt 2.686 Zusammenschlüsse angemeldet worden. Gegenüber dem Zeitraum 2015/2016 (2.440 Anmeldungen) sind die Anmeldezahlen damit um rund 10 Prozent angestiegen. Im Berichtszeitraum führten Interventionen des Bundeskartellamts in 16 Fällen zur Aufgabe oder Änderung der Zusammenschlussvorhaben. Im Berichtszeitraum wurden auch erstmals Zusammenschlüsse aufgrund der mit der 9. GWB-Novelle eingeführten Transaktionswert-Schwelle gemäß § 35 Absatz 1a GWB angemeldet. Insgesamt wurde in 18 Anmeldungen die Anmeldepflicht mit der Transaktionswert-Schwelle begründet. In sieben dieser Fälle wurde die Anmeldung zurückgenommen, nachdem sich herausgestellt hatte, dass keine Anmeldepflicht bestand. In den übrigen elf Fällen wurden die Zusammenschlüsse in der ersten Phase freigegeben, wobei teilweise die Frage der Anmeldepflicht nicht abschließend geklärt wurde. Das Bundeskartellamt hat zusammen mit der österreichischen Bundeswettbewerbsbehörde einen gemeinsamen „Leitfaden Transaktionswert-Schwellen für die Anmeldepflicht von Zusammenschlussvorhaben“ veröffentlicht.
Kartellverfolgung
2018 hat das Bundeskartellamt rund 376 Mio. Euro Bußgeld gegen insgesamt 22 Unternehmen bzw. Verbände und 20 natürliche Personen verhängt. 2017 lag der Betrag bei 66,4 Mio. Euro. Bei der Behörde gingen 2017 37 und 2018 25 Bonusanträge ein. Im Berichtszeitraum hat das Bundeskartellamt im Rahmen der Verfolgung verbotener Kartellabsprachen 18 Durchsuchungen in 111 Unternehmen und in elf Privatwohnungen durchgeführt.
Private Kartellrechtsdurchsetzung
Im Berichtszeitraum erfuhr das Bundeskartellamt von ca. 640 neuen Kartellzivilsachen. Im Verhältnis zu den vorangegangenen Zeiträumen ist ein erheblicher Anstieg von „Follow-on-Klagen“ zu verzeichnen, was in erster Linie auf die Entscheidung der Europäischen Kommission zum LKW-Kartell zurückzuführen ist. Im Berichtszeitraum ist außerdem eine Bündelung und noch stärkere Professionalisierung im Bereich der Schadensersatzklagen
zu verzeichnen. Es kann aus Sicht des Amtes weiterhin nicht ausgeschlossen werden, dass der kaum noch abzuschätzende Umfang der zivilrechtlichen Haftung mittelfristig negative Auswirkungen auf die Durchschlagskraft der öffentlichen Kartellrechtsdurchsetzung haben wird.