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Bundesregierung
Regierungsentwurf
9. GWB-Novelle

Am 28. September 2016 hat die Bundesregierung den Gesetzentwurf eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (Regierungsentwurf zur 9. GWB-Novelle) veröffentlicht. Der Referentenentwurf war am 1. Juli 2016 veröffentlicht worden (vgl. FIW-Bericht vom 14.07.16).

Der Regierungsentwurf setzt unter anderem die Kartellschadensersatz-Richtlinie 2014/104/EU über bestimmte Vorschriften für Schadensersatzklagen nach nationalem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union um, die bis zum 27. Dezember 2016 in nationales Recht umgesetzt werden muss. Dieses Datum wird nun nicht mehr einzuhalten sein.

Der Entwurf des Gesetzes einer 9. GWB-Novelle enthält folgende zentralen Elemente:

  • Digitale Themen in der Missbrauchs- und Fusionskontrolle

Um eine gemeinsame Betrachtung der unentgeltlichen und der ent­geltlichen Seite bei der Marktabgrenzung zu ermöglichen, soll in einem neuen § 18 Absatz 2a GWB-E folgende Regelung eingefügt werden:

„Der Annahme eines Marktes steht nicht entgegen, dass eine Leistung unentgeltlich erbracht wird.“

Auch § 18 Absatz 3a GWB-E wird neu eingefügt und stellt fest:

 „Insbesondere bei mehrseitigen Märkten und Netzwerken sind bei der Bewertung der Marktstellung eines Unternehmens auch zu berücksichtigen:
1.    direkte und indirekte Netzwerkeffekte,
2.    die parallele Nutzung mehrerer Dienste und der
       Wechselaufwand für die Nutzer,
3.    seine Größenvorteile im Zusammenhang mit Netzwerkeffekten,
4.    sein Zugang zu wettbewerbsrelevanten
[neu] Daten,
5.    innovationsgetriebener Wettbewerbsdruck.“ 

In der Fusionskontrolle soll in einem neuen § 35 Absatz 1a GWB-E das Transaktionsvolumen als neuer Tatbestand festgelegt werden, um Marktverschließungseffekte und Markteintrittsbarrieren zu ver­hindern, sowie Innovationspotential zu schützen:

Die Vorschriften über die Zusammenschlusskontrolle finden auch Anwendung, wenn (…) der Wert der Gegenleistung für den Zusammenschluss mehr als 400 Millionen Euro beträgt (…)“. Damit soll nur die wettbewerb­lich relevante „Spitze des Eisbergs“ erfasst werden.

Im Regierungsentwurf ist das Transaktionsvolumen von 350 Mio. EUR auf 400 Mio. EUR angehoben worden. Zudem muss jetzt das zu erwerbende Unternehmen eine Inlandstätigkeit aufweisen.

In einem neuen § 30 Absatz 2b GWB sollen Pressekooperationen weiter gefördert werden, indem „§ 1 (…) nicht für Vereinbarungen zwischen Zeitungs- oder Zeitschriftenverlagen über eine verlags­wirtschaftliche Zusammenarbeit [gilt], soweit die Vereinbarung den Beteiligten ermöglicht, ihre wirtschaftliche Basis für den intermedi­alen Wettbewerb zu stärken.“ Dies soll nicht für eine Zusammen­arbeit im redaktionellen Bereich gelten.

  • Weitere Regelungen in der Missbrauchskontrolle

Weitere Regelungen in der Missbrauchskontrolle

Neu im Regierungsentwurf sind Regelungen zur Entfristung des Verbots von Untereinstandsverkäufen im Lebensmittelbereich, eine Definition des Einstandspreises (§ 20 Absatz 3 Satz 3 GWB-E) sowie Änderungen zur Verschärfung der Regelungen zur missbräuchlichen Ausnutzung von Nachfragemacht (§ 186 Abs. 6 GWB-E, § 19 Abs. 2 Nr. 5 GWB-E). Hierzu hatte der Referentenentwurf zuvor nur Platzhalter enthalten.

  • Konzernhaftung und Rechtsnachfolge bei Bußgeldern

Konzernhaftung und Rechtsnachfolge bei Bußgeldern

Die im Vorfeld bereits hoch umstrittene Einführung einer verschul­densunabhängigen Konzernhaftung zum Schließen der sog. „Wurstlücke“ im deutschen Recht soll im Kartellbußgeldrecht ein­geführt werden, im Kartellzivilrecht jedoch nicht. In einem neuen § 81 Absatz 3a GWB-E soll die Konzernhaftung folgendermaßen nor­miert werden:

„(3a) Hat jemand als Leitungsperson (…) eine Ordnungswidrigkeit (…) begangen, durch die Pflichten, welche das Unternehmen treffen, verletzt worden sind (…) so kann auch gegen weitere juristische Personen oder Personenvereinigungen, die das Unternehmen zum Zeitpunkt der Begehung der Ordnungswidrigkeit gebildet haben und die auf die juristische Person oder Personenvereinigung, deren Lei­tungsperson die Ordnungswidrigkeit begangen hat, unmittelbar oder mittelbar einen bestimmenden Einfluss ausgeübt haben, eine Geld­buße festgesetzt werden.“

Zusätzlich soll in § 81 Absatz 3b GWB-E eine Gesamtrechtsnachfolge oder eine partielle Gesamtrechtsnachfolge durch Aufspaltung ange­ordnet werden.

Auch soll in einem neuen § 81 Absatz 3c GWB-E die wirtschaftliche Nachfolge so geregelt werden, dass der neue Erwerber auch dann haftet, wenn der ursprünglich haftende Betreiber rechtlich fortfällt oder wirtschaftlich nicht mehr existent ist. Ein neuer  81a GWB-E soll die Ausfallhaftung im Übergangszeitraum regeln.

  • Umsetzung der Kartell-Schadensersatz-Richtlinie

Umsetzung der Kartell-Schadensersatz-Richtlinie

Die Umsetzung der Kartell-Schadensersatz-Richtlinie (Inhalt und Ziel der Richtlinie 2014/104/EU) soll komplett im GWB erfolgen (materiell-rechtliche Regeln in den §§33 ff. GWB-neu, Verfahrens­regelungen in den §§ 89b ff. GWB-neu). § 33 a GWB-E soll dabei Art. 1-4 und 9 der RL wie folgt umsetzen:

„(1) Wer einen Verstoß nach § 33 Absatz 1 vorsätzlich oder fahr­lässig begeht, ist zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.“  

„(2) Es wird widerleglich vermutet, dass ein Kartell einen Schaden verursacht. Ein Kartell (…) ist eine Absprache oder abgestimmte Verhaltensweise zwischen zwei oder mehr Wettbewerbern (…). 

Der Entwurf enthält damit keine explizite Übernahme des europäi­schen Unternehmensbegriffs. Die Auslegung wird der Rechtspre­chung überlassen.

Die Passing-On-Defence soll in Umsetzung der Art. 12-15 der RL in § 33 c GWB-E wie folgt geregelt werden:

„(1) Wird eine Ware oder Dienstleistung zu einem überteu­erten Preis bezogen (Preisaufschlag), so ist der Schaden nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Ware oder Dienstleis­tung weiterveräußert wurde (…).“

Weiter soll geregelt werden, dass der Beklagte die Beweislast für die Schadensabwälzung trägt und Offenlegung vom Kläger/Dritten ver­langen kann. Den Kläger trifft im Verhältnis zum mittelbaren Ab­nehmer die Beweislast für Vorliegen und Umfang der Schadensab­wälzung. Dieser kann wiederum die Offenlegung vom Beklag­ten/Dritten verlangen. Zu Gunsten des Klägers spricht auch eine Vermutung für das Vorliegen einer Schadensabwälzung. Der Be­klagte hat die Möglichkeit, diese Vermutung durch Glaubhaft­machung zu widerlegen, dass keine (vollständige) Schadensabwäl­zung auf den Kläger stattgefunden hat.

Die Vorgaben zur gesamtschuldnerischen Haftung (Art. 11 RL) werden in einem neuen § 33 d GWB-E untergebracht. In dessen Absatz 2 soll es heißen:

„(2) Das Verhältnis, in dem die Gesamtschuldner unterei­nander für die Verpflichtung zum Ersatz und den Umfang des zu leistenden Ersatzes haften, hängt von den Umständen ab, insbesondere davon, in welchem Maß sie den Schaden verursacht haben.“ 

In einem neuen 33 e GWB-E wird die Privilegierung des Kronzeugen normiert: 

 „ (1) Abweichend (…) [ist der Kronzeuge], nur zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der seinen oder ihren unmittelba­ren und mittelbaren Abnehmern oder Lieferanten aus dem Verstoß entsteht [zuvor: entstanden ist].“

 „(3) Die übrigen Schädiger können von dem Kronzeugen Ausgleichung (…) nur bis zur Höhe des Schadens verlangen, den dieser seinen unmittelbaren und mittelbaren Abnehmern oder Lieferanten verursacht hat. (…)“

Die Offenlegung von Beweismitteln soll in einem neuen §33 g GWB-E geregelt werden. Der Anspruch auf Auskunft und Herausgabe von Beweismitteln soll materiell-rechtlich ausgestaltet werden. Der Anspruch soll auch für den Beklagten gegenüber dem Anspruchsteller und Dritten greifen. Bei der Abwägung soll u. a. eine Verhältnismäßigkeitsprüfung und Interessenabwägung erfol­gen. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sollen geschützt werden. Kronzeugenerklärungen und Vergleichsausführungen sollen nicht offengelegt werden dürfen. Es soll ein Zwischenurteil über den An­spruch möglich sein. Auch soll es möglich sein, die Ansprüche im einstweiligen Rechtsschutzverfahren bei bindender Entscheidung der Wettbewerbsbehörde vereinfacht geltend zu machen.

In einem neuen §89 c GWB-E soll die Offenlegung aus der Behörden­akte dergestalt geregelt werden, dass die Herausgabe von Beweis­mitteln aus den Akten der Kartellbehörde an das Gericht oder den Anspruchssteller subsidiär erfolgt.

Weitere Themen: Die Verjährungsdauer wird auf 5 Jahre heraufge­setzt. Neu ist auch eine Mitteilungspflicht von Bußgeldentscheidun­gen (§ 53 Abs. 5 GWB-E). Weiter sollen die Kosten der Neben­intervention begrenzt werden, d. h. die Summe der Gegenstands­werte der einzelnen Nebeninterventionen darf den Wert des Streitge­genstandes der Hauptsache nicht übersteigen. Ebenfalls soll das Prozesskostenrisiko im Fall des Unterliegens vor Gericht begrenzt werden.

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