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FIW
49. FIW-Symposion

Das diesjährige Innsbrucker Symposion des FIW fand vom 10. Februar bis zum 12. Februar 2016 statt. Die Veranstaltung stand unter dem Leitthema „Wettbewerb 4.0. – Ordnungspolitik und Kartellrecht im Zeitalter der Digitalisierung“.

Donnerstag – 11.02.2015

Die Vorstandsvorsitzende des FIW, Frau Dr. Angelika Westerwelle in ihrer Einführung, dass die Digitalisierung fast alle Bereiche der Wirtschaft tiefgreifend und in rasantem Tempo verändere. Die Bezeichnung „Neuland“ von Frau Merkel sei geradezu eine prophetische Bemerkung gewesen. Das „Internet der Dinge“ werde Realität und ermögliche eine neue Art des Wirtschaftens. Digitale Technologien veränderten Wertschöpfung und Innovationsprozesse und ermöglichten neue Formen des Wirtschaftens („share economy“). Gerade die Industrie treibe diesen Wandel und werde von ihr getrieben. Allein das Wachsen des Datenmarktes übersteige sämtliche Kommunikationsdaten um das sechsfache. Die Auswirkungen dieses Themas seien noch nicht vollständig erfasst. Das FIW sei jedenfalls der richtige Ort, um die Dinge von der wettbewerbsrechtlichen Seite zu beleuchten; es wolle einen strukturierten Beitrag zur Debatte leisten. Westerwelle sagte, sie habe Hoffnung, dass im Laufe der Zeit ein größeres Verständnis für das „Neuland“ entstehe. In der Tat stellten sich viele neue Fragestellungen, z.B. wie der Monopolbegriff (neu?) zu gestalten sei, ob Wettbewerb nur noch zeitlich begrenzt sei und ob ein Monopol immer schädliche oder auch positive Auswirkungen habe. Die Bedeutung dieser Fragen sei insbesondere auf Plattformmärkten von Interesse, weil die Grenzkosten von Websites nahezu „Null“ betrügen und die Innovation durch Finanzkraft und den sog. „first-mover-advantage“ rascher einträten.

Im Anschluss übermittelte Frau Bürgermeisterin Oppitz-Plörer Grußworte für die Stadt Innsbruck. Sie dankte dem FIW, dass es über 49 Jahre Innsbruck die Treue gehalten habe. Am Vorabend der Brennerschließung sei die Frage berechtigt, wohin nicht nur Europa, sondern auch die Gemeinden steuerten. Dieser Tage sei in Österreich ein Thema die Grenzschließung, während in Tirol Gemeinderatswahlen stattfänden. Allerdings gebe es in den 32 Gemeinden keinen Wettbewerb. Es gebe keine Listen, und niemand würde sich zur Wahl stellen. Dies bedeute eine Erschütterung der demokratischen Strukturen, woraus sich auch zentrale und folgenreiche Fragen für die Digitalisierung ableiten ließen. Essentiell sei die Frage, wie sich demokratische Strukturen erhalten ließen.  

Dr. Frank Appel, Vorsitzender des Vorstands, Deutsche Post DHL Group – E-Commerce: Ein globaler Wachstumsmarkt setzt neue Maßstäbe

Im traditionellen Unternehmervortrag stellte Appel das Unternehmen die Deutsche Post DHL Group vor. Appel fragte, ob nicht ein Netz im Gegensatz zu vielen verschiedenen Netzwerken ausreichte, viele Großstädte stünden vor einem Kollaps. DHL sei der größte Betreiber von Immobilien mit 30 Mio. m2 weltweit. Es handele sich um das größte Postunternehmen der Welt und einen der größten Arbeitgeber mit fast einer halben Million Mitarbeitern. Die Wachstumsraten beim e-Commerce beliefen sich auf einen zweistelligen Bereich. Es gehöre mittlerweile zum wesentlichen Bestandteil des Lebens, im Internet zu bestellen. Dies habe insbesondere Auswirkungen auf das Paketgeschäft, das in den letzten 5 Jahren 8 Prozent Wachstum erfahren habe. Hier seien erhebliche Investitionen erforderlich. Deutschland sei eine große Versandhandelsnation mit weiterhin großem Wachstumspotential. Appel zeigte in diesem Zusammenhang einige Zukunftsszenarien auf. Künftige Generationen würden sich zunehmend über den Freizeitwert definieren, was eine dramatische Verschiebung des Kaufverhaltens mit sich bringe. Der Zugang zu Waren werde wichtiger als der Besitz von Waren. Die Frage sei, wofür die Gesellschaft Ressourcen einsetzen wolle. Vielleicht sei es sinnvoller, Ressourcen wieder zu recyceln als sie dauerhaft zu besitzen. Fest stehe, dass Logistikdienstleistungen auch weiter gebraucht würden. Das Internet der Dinge, bei dem jedes Produkt miteinander kommunizieren könne, sei die Zukunft. Appel prognostizierte, dass künftig alle beweglichen Güter kommunizieren können werden (z. B. führe der Einsatz von Smartglasses zu Effizienzsteigerungen).

Die Deutsche Post DHL Group habe mittels ihrer weltweiten Präsenz und als Qualitätsführer den Anspruch, zu definieren, was in der Industrie passiere. Die vordringliche Herausforderung sei jedoch die Perfektion der Paketzustellung. Es sei nach wie vor wichtig, im Kerngeschäft (Logistik) zu bleiben. Im Übrigen würden die Kunden-, Mitarbeiter- und Bankenzufriedenheit regelmäßig gemessen. DHL sei in 220 Ländern und Territorien (z. B. auch in Nordkorea) vor Ort. Auch im Zusammenspiel mit nationalen Postdienstleistern, z. B. in Indien, werde die Plattform global weiter ausgebaut. DHL sei gleichzeitig Partner und Wettbewerber von europäischen Postdienstleistern (z. B. von Frankreich und Österreich). Angesichts massiver Investitionsnotwendigkeiten werde die Flächendeckung auch gebraucht. Ob sich die Paketdrohne durchsetzen werde, sei ein regulatorisches Thema. Nach Ansicht Appels sei dieser wichtig, um vor allem rasch benötigte Arzneimittel zu liefern und Ölplattformen zu beliefern. Appel schloss mit einem Plädoyer für das transatlantische Handelsabkommen TTIP und dafür, dass es sich lohne, immer die neueste Innovation einzuführen.

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts – Digitalisierung der Wirtschaft – Paradigmenwechsel in der Wettbewerbspolitik

(vgl. separaten FIW-Bericht auf der Website)

Christian Dobler, Ministerialdirigent, Bundesministerium für Wirtschaft und Energie -Mögliche Elemente einer 9. GWB-Novelle

Dobler berichtete, dass der Gesetzentwurf für eine 9. GWB-Novelle noch nicht vorliege. Zum Jahresende werde in den §§ 97-185 das Vergaberecht geregelt sein. Mit der Reform des Vergaberechts werde man den Unterschwellenbereich angleichen; der Entwurf werde gerade mit dem BMJV abgestimmt. Für den Bahnbereich gebe es in der Vergaberechtsnovelle eine Bestimmung, dass das Personal des vorigen Betreibers nach dem Zuschlag übernommen werden müsse. Es sei ebenfalls ein neues Eisenbahnregulierungsgesetz auf dem Weg zu einem Regierungsentwurf. Auch das Buchpreisbindungsgesetz liege in Form eines Regierungsentwurfes vor. Darüber hinaus hätten die Länder beschlossen, sich für eine der Medienkonvergenz angemessene Medienordnung einzusetzen. Hierzu sei eine Bund-Länder-Kommission eingerichtet worden, die die erforderliche Kompatibilität hinsichtlich der Regeln an den Schnittstellen Medienaufsicht, Telekommunikationsrecht und Wettbewerbsrecht erarbeiten solle. Hierbei gehe es insbesondere um die Themen „Kartellrechts und Vielfaltsicherung“, Jugendschutz, Plattformregulierung und Intermediäre. Für diese Themen seien jeweils Arbeitsgruppen eingerichtet worden. Die AG „Kartellrecht und Vielfaltsicherung“ widme sich unter anderem Fragen der Zusammenarbeit zwischen dem Kartellamt und den Medienanstalten. Die AG „Intermediäre“ untersuche, ob neben einer kartellrechtlichen Regulierung noch eine medienrechtliche Regulierung benötigt werde, was Dobler verneinte. Es sei umstritten, ob das Meinungsspektrum ausreichend sei. Allerdings sorge das Internet für Vielfalt, und Suchmaschinen kanalisierten die Vielfalt. Diskriminierungsprobleme seitens der Intermediäre könnten mit dem Kartellrecht sanktioniert werden. Problematisch sei ein zusätzliches medienrechtliches Diskriminierungsverbot; Symbolpolitik sei nicht vonnöten.  

Zur Umsetzung der Kartellschadensersatz-Richtlinie sagte Dobler, dass die Richtlinie den Ansatz verkörpere, die Geschädigtenrechte zu stärken. Allerdings schütze die Richtlinie die kartellbehördliche Anwendung mehr als die Geschädigten. Auch werden die Rechte des mittelbaren Anwenders gestärkt, es fehle aber in der Konsequenz die Einführung von Sammelklagen. Dobler mutmaßte, dass die Kommission diesen Ansatz bewusst gewählt haben könnte, um auf diese Lücke stärker hinzuweisen. Die Regelung zur Passing-On-Defence werde im Ergebnis zu weniger Schadensersatzklagen führen. Die Umsetzung der Richtlinie solle zur Vermeidung von Kollateralschäden im GWB erfolgen.

Weitere strafrechtliche Sanktionen für Kartelle lehne das BMWi ab, da es die Kronzeugenregelung in Frage stellen würde und die Verfahren verkomplizieren würden. Auch deuteten die Erfahrungen mit dem Submissionsbetrug nicht auf die Notwendigkeit eines Kurswechsels hin. Allerdings sei vorgesehen, die für die Nebenintervention eine Begrenzung des Streitwerts vorzusehen. Die vorhandenen Spielräume sollte der Gesetzgeber nutzen, um möglichst vielen Geschädigten zu ihrem Recht zu verhelfen. Sicherlich müsse der Kronzeuge weiterhin wirkungsvoll geschützt werden. Die Grundannahme, dass es weniger Kronzeugenanträge geben werde, je mehr Schadensersatzklagen drohten, sah Dobler jedoch nicht als plausibel an. Die Schadensvermutung sei „eine gute Idee“; eine Vermutung zur Schadenshöhe sei jedoch nicht möglich.

Der Adressat einer Schadenersatzklage solle künftig die „wirtschaftliche Einheit“  sein, so dass Schäden auch unabhängig vom Schuldprinzip zugerechnet werden könnte. Es handele sich um ein zusammengehörendes Paket, weshalb ein Gleichlauf mit dem Bußgeldrecht geplant sei. Das Problem der sog. „Wurstlücke“ sei im Grunde eine „Gerechtigkeitslücke“, die geschlossen werden müsse. Der § 30 a Abs. 2 OWiG reiche nicht, da sich die Unternehmen umstrukturieren könnten; dies sei leichter für Großunternehmen. Darüber hinaus sei es nicht wünschenswert, auf EU-Ebene und in Deutschland ein unterschiedliches  Sanktionssystem zu haben. Künftig soll eine unternehmensbezogene Geldbuße auch gegen die Konzernmutter verhängt werden sollen. Wenn Adressat der gesamte Unternehmensverbund sei, machten Umstrukturierungen keinen Sinn mehr. Eine gesamtschuldnerische Haftung von Mutter- und Tochterunternehmen würde Lücken bei der Rechtsnachfolge, auch bei konzernexternen Rechtsnachfolgen schließen. Aus dem Rückwirkungsverbot folge, dass das Ausgangsverfahren als spätester Zeitpunkt anzusehen sei, um Umstrukturierungen zu verhindern.

Die Aufgreifschwelle in der Fusionskontrolle werde künftig am Transaktionswert einer Fusion festgemacht. Allerdings gab Dobler zu, dass man Aufkaufstrategien generell mit der Fusionskontrolle nicht, auch nicht nach den Änderungen, in den Griff bekomme. Dobler schloss mit einigen Einige Bemerkungen zur Ministererlaubnis. Es habe bisher 22 Verfahren gegeben. Die vom Minister anzustellenden Gemeinwohlaspekte seien durchaus durch politische Grundeinstellungen mitbestimmt. Diesbezüglich seien gesetzliche Klarstellungen hilfreich. Zu einer gerichtlichen Überprüfung einer Ministererlaubnis sei es bisher nicht gekommen. Eine erteilte Ministererlaubnis schwäche den Wettbewerb; dies sei ihr wesensimmanent. Wenn man das Bild des unverfälschten Wettbewerbs aufrechterhalten wolle, müsste man auf die Ministererlaubnis verzichten. Andererseits helfe die Ministererlaubnis dabei, die Unabhängigkeit des Kartellamts zu erhalten. Eine stärkere parlamentarische Einbindung in das Verfahren der Ministererlaubnis hielt Dobler nicht für überzeugend. Schließlich werde der Meinungsvielfalt durch die Möglichkeit der Beiladung und das Informationsfreiheitsgesetz ausreichend Rechnung getragen.

Prof. Dr. Stefan Thomas, Eberhard Karls Universität, TübingenDer Unternehmensbegriff im GWB und die 9. Novelle: Zivilrechtliche, bußgeldrechtliche und verfassungsrechtliche Anforderungen

Thomas stellte zunächst heraus, dass es sich auf EU-Ebene und im deutschen nationalen Recht beim materiellen Unternehmensbegriff keinesfalls um sich widersprechende Systeme handele. Auch das deutsche System rekurriere auf dem zusammenhängenden Unternehmenssystem, wie § 36 Abs. 2 GWB im Hinblick auf die Verbundklausel bescheinige. Unterschiede gebe es nur im Vollzugsrecht. Schon jetzt sei eine „Konzernhaftung“ im geltenden GWB möglich. Streitig sei allerdings, ob das Management der Mutter eine Aufsichtspflicht über den Konzern habe. Thomas verneinte im Ergebnis die vom Bundeswirtschaftsministerium und Bundeskartellamt propagierte Schaffung einer Möglichkeit der Sanktionierung der Muttergesellschaft für die Fälle, in denen Organe und Mitarbeiter der Muttergesellschaft nicht am Verstoß beteiligt waren und nicht eine Aufsichtspflicht in Bezug auf Tochtergesellschaften verletzt haben. Weder würde dieser Weg vom EU-Recht vorgegeben, noch verhindere er Umgehungsumstrukturierungen. Es gebe insbesondere keinen Vorrang der VO 1/2003, denn diese gelte insoweit nicht für nationale Behörden oder Gerichte, so Thomas. Eine Verletzung des effet utile sei indes nicht ersichtlich. In Bezug auf die Kartellverfahrensverordnung Nr. 1/2003 sei der Gedanke des effet utile nicht anwendbar; die VO 1 /2003 sei gerade nicht der „Goldstandard“ für den effet utile. Anderenfalls begebe man sich in Widerspruch mit Art. 288 AEUV, wonach nur über Richtlinien als Instrumente für den Mitgliedstaat Ziele verbindlich festgeschrieben werden könnten; die VO 1/2003 sei gerade keine Richtlinie. Die sog. AKZO-Regel sei zudem zur Verhinderung von Umgehungsstrukturierungen nicht geeignet. Auf EU-Ebene seien Umgehungskonstruktionen durch zahlreiche, in der Rechtsprechung anerkannte Rechtsfolgentatbestände gelöst. Ein Rechtsnachfolgenproblem sollte konsequenterweise auch nur auf der Rechtsnachfolgenseite im nationalen Recht gelöst werden.

Nicht alles, was auf EU-Ebene praktiziert werde, sei auch mit dem Grundgesetz vereinbar. Verfassungsrechtlich sei der Schuldgrundsatz auch nicht in Bezug auf die juristische Person auszuhebeln, wie das Bundesverfassungsgericht festgestellt habe. Indes sei die Ansicht des Bundesverfassungsgerichts auch überzeugend, da das Recht nur erfüllbare Verhaltenserwartungen formulieren und sanktionieren könne. Thomas wartete mit einem eigenen vermittelnden Lösungsvorschlag auf. So würden sich sämtliche Probleme auflösen, wenn die Buße gegen die Mutter an eine Verhaltenspflicht anknüpfte. Aus diesem Grund sollte man de lege ferenda klarstellen, dass § 130 OWiG auch die „wirtschaftliche Einheit“ erfasse. Demnach müsse ein ernsthaftes und dichtes Konzern-Compliance-Programm für die Muttergesellschaft bei Verletzung ihrer konzernweiten Aufsichtspflicht auch exkulpierend wirken können. Eine Nachlässigkeit bei Konzern-Compliance führe umgekehrt zur Bußgeldhaftung der Mutter.

Hinsichtlich der Frage nach einer Einführung der Konzernhaftung im Kartellzivilrecht sagte Thomas, dass der Kartellschadensersatz-Richtlinie keine eindeutige Aussage dazu zu entnehmen sei und eine Klarstellung zu erwarten gewesen sei. Wenn man künftig die Konzernaufsicht als kartellrechtliche Außenpflicht gesetzlich regele, hafte die Muttergesellschaft bei unzureichender Konzern-Compliance auch zivilrechtlich auf Schadensersatz. Thomas schloss mit der Bemerkung, dass das AKZO-System keinesfalls nicht „alternativlos“ sei. Sofern die Konzernhaftung der Mutter an Verhaltens- und Aufsichtspflichten geknüpft würden, sei dies mit dem Schuldgrundsatz vereinbar; außerdem würden gleichzeitig Compliance-Anreize gestärkt.

Freitag – 12.02.2015

Dr. Wolfgang Kirchhoff, Richter am Bundesgerichtshof – Aktuelle Rechtsprechung des BGH zum Kartellrecht

Kirchhoff berichtete über einen Fall des Marktmissbrauchs im Fall Porsche-Tuning (Urteil vom 6.10.2015); dabei sei es um eine Lieferverweigerung seitens von Porsche im Hinblick auf Original-Porsche-Teile zu Tuning-Zwecken und im Hinblick auf Porsche Neuwagen zur Präsentation sowie um eine Zugangsverweigerung zu einem Informationssystem (PIWIS) gegangen. Geklagt habe eine Tuning-Firma von Porsche-Fahrzeugen. Der Kartellsenat habe sich zunächst Fragen der Marktabgrenzung gewidmet. Es habe offen bleiben können, ob Tuning-Unternehmen in der Regel markenspezifisch tätig seien; die sachliche Marktabgrenzung könne nicht vom autonomen Verhalten von Marktteilnehmern abhängig sein, so Kirchhoff. Hier sei die Klägerin vom Beklagten (Porsche) abhängig gewesen. Die Klägerin habe im erheblichen Umfang markenspezifisches Know-How erworben und ein eigenes neues Produkt und damit eine eigene Wertschöpfung geschaffen. Der BGH habe festgestellt, dass eine ohne vertragliche Vereinbarung autonom geschaffene Bezugskonzentration den Tatbestand unternehmensbedingter Abhängigkeit erfüllen könne. Der BGH habe zudem festgestellt, dass die Klägerin unwillig behindert worden sein, da sie vom Beklagten nicht mit neuwertigen Fahrzeugen der Marke Porsche zur Präsentation beliefert worden sei. Ob eine Behinderung unbillig sei, bestimme sich aufgrund einer umfassenden Abwägung der Interessen der Beteiligten unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des GWB.

Kirchhoff ging kurz auf das Urteil des BGH vom 27.1.2015 in Sachen Dentalartikel ein, bei dem der BGH entschieden habe, dass bei ordnungsgemäßer Anmeldung des Erwerbs eines BGH-Anteils beim Handelsregister der Erwerber auch dann gegenüber der Gesellschaft als Gesellschafter gelte, wenn durch den Beitritt zur Gesellschaft die Voraussetzungen für eine Freistellung vom Kartellverbot entfallen seien. Hier habe es sich um eine Einkaufsgemeinschaft für Dentalartikel gehandelt. Sie sei vom Bundeskartellamt nach altem Recht vom Kartellverbot freigestellt worden. Zwischenzeitlich sei ein größerer Wettbewerber in die Einkaufsgemeinschaft eingetreten, bei dem das Bundeskartellamt der Überzeugung gewesen sei, dass die Freistellungsvoraussetzungen nicht mehr vorgelegen hätten. Die Gesellschaft habe daraufhin den Anteil des fraglichen Unternehmens eingezogen; im Anschluss hätten sich die Gesellschaften um die Rückabwicklung des Beitritts gestritten. Der BGH habe schließlich bejaht, dass der Beitritt des fraglichen Unternehmens wegen Kartellrechtsverstoßes unwirksam gewesen sei.

Schließlich ging Kirchhoff noch auf zwei Entscheidungen zur Rechtsnachfolge ein, zum einen auf den BGH-Beschluss vom 16.12.2014 (Maxit) und zum anderen auf den BGH-Beschluss vom 27.1.2015 (Melitta). Im ersten Fall sei ein Bußgeldbescheid gegen die Gesellschaft Maxit ergangen. Die Gesellschaft sei sodann auf die Nebenbetroffene verschmolzen worden. Maßgeblich sei die Frage gewesen, ob die Nebenbetroffene für die Kartellordnungswidrigkeit bußgeldrechtlich verantwortlich gewesen sei. Als Prüfungsmaßstab sei hier § 30 OWiG a.F. maßgeblich gewesen. Der BGH habe festgestellt, dass eine gegen den Rechtsnachfolger einer juristischen Person oder einer Personenvereinigung ein Bußgeld nur verhängt werden könne, wenn zwischen der früheren und der neuen Vermögensverbindung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise Nahezu-Identität bestehe. Hiermit habe der BGH den Beschluss vom 10. August 2011 (Versicherungsfusion) bestätigt. Nur wenn das „Haftende Vermögen“ weiterhin vom Vermögen des gemäß § 30 OWiG Verantwortlichen getrennt sei und in gleicher oder ähnlicher Weise wie bisher eingesetzt werde und in der neuen juristischen Person den wesentlichen Teil des Gesamtvermögens ausmachen würde, könne eine Unternehmensgeldbuße auch gegen den Rechtsnachfolger verhängt werden. Eine unionsrechtskonforme Auslegung habe zu keinem anderen Ergebnis geführt. Insbesondere ermächtige Art. 5 Abs. 1 der VO 1/2003 die nationalen Wettbewerbsbehörden und -gerichte nicht dazu, wegen eines Verstoßes gegen das Wettbewerbsrecht der Europäischen Union ein Bußgeld gegen ein Unternehmen unabhängig von den nationalen Bußgeldvorschriften zu verhängen. Die VO 1/2003 enthalte keine Harmonisierung der mitgliedstaatlichen Sanktionen. Da die Auslegung offenkundig gewesen sein, habe auch kein Anlass zu einer Vorlage an die Europäischen Gerichte bestanden.

Im Unterschied zu Maxit sei im Fall Melitta, bei dem die Melitta Kaffee GmbH auf die Melitta Europe als Gesamtrechtsnachfolgerin verschmolzen worden sei, eine Nahezu-Identität bejaht worden. Hier sei das übernommene Vermögen zur nahezu unveränderten Fortführung des ursprünglich bußgeldrechtlich haftenden Unternehmens verwendet worden. Es sei darauf angekommen, ob das übertragene Vermögen noch im Rechtsnachfolger prägend erkennbar sei, obwohl doch in erheblichem Umfang anderes Geschäft vorhanden ist.

Günther H. Oettinger, Kommissar für Digitale Wirtschaft und Gesellschaft, Europäische Kommission – „Digitalisierung und Ordnungspolitik: Wie sieht ein integrativer europäischer Ansatz für Datenschutz, Wettbewerb und geistiges Eigentum aus?“

(vgl. separaten FIW-Bericht auf der Website)

Prof. Dr. Dr. Nils Ole Oermann, Direktor des Instituts für Ethik und Transdisziplinäre Nachhaltigkeitsforschung, Leuphana Universität Lüneburg – Wirtschaftsethik in der Digitalisierung

Professor Oermann ließ das vorbereitete Vortragsmanuskript beiseite und nahm stattdessen in seinem frei gehaltenen Bezug auf Fallbeispiele, die während des Symposiums von Herrn Appel und Herrn Oettinger angeführt worden waren. Dies betraf beispielsweise die Zustellung von Paketen per Drohne und die Ablieferung von Paketen im Kofferraum von Autos sowie die Zusendung unbestellter Ware, die auf Kundendaten fußt, welche der Versender zuvor generiert hatte. Ferner ging es um das Beispiel eines verlorenen Schals und den diesbezüglichen Ersatzmöglichkeiten im Ladengeschäft, auf die durch eine Vernetzung von Angaben des Verbrauchers auf Social Media mit dem Warenbestand von Bekleidungsgeschäften künftig möglich sein würde. Außerdem wurden die veränderten Fernsehgewohnheiten von Jugendlichen bzw. deren Ersetzung durch Computernutzung und Social Media-Aktivitäten angesprochen. Dabei wurde insbesondere auf den laxen Umgang mit der Weitergabe personenbezogener Daten im Internet durch Jugendliche hingewiesen.

Professor Oermann referierte sodann die beiden divergierenden Ethikkonzepte von Immanuel Kant („Was soll ich tun“?) und Aristoteles („Was ist ein gutes Leben“). Daran maß er die zuvor angeführten Beispiele, wobei er auf zahlreiche weitere Aspekte einging, die an dieser Stelle nicht im Einzelnen referiert werden können. Wesentlich sei dabei unter anderen die Erkenntnis, dass zwischen einer auf menschliche Individuen bezogenen Ethik und normativen Regeln unterschieden werden müsse. Werte bezeichnete Professor Oermann als individuell und wandelbar, d.h. gerade nicht als allgemeingültig.

In der Diskussion wurde mit Bezug auf den Vortrag und das dort angeführte Beispiel der früher gängigen gemeinsamen familiären Fernsehabende („Wetten, dass …“) auf den Umstand hingewiesen, dass die ältere Generation einen kulturell ähnlichen Erfahrungsraum habe. Dies sei bei der jüngeren Generation infolge Vereinzelung der jungen Leute in der „echo chamber“ (ein Begriff, den Frau Professor v. Wallenberg in die Diskussion einführte) heute nicht mehr der Fall.

Vor diesem Hintergrund wurde die sog. Einwilligungslösung in der EU-Datenschutzgrundverordnung diskutiert und die Frage aufgeworfen, ob die Ersetzung des Einwilligungsprinzips durch das Missbrauchsprinzip ratsam erscheine. Dies lehnte Prof. Oermann trotz der verringerten Erkenntnisfähigkeiten von Jugendlichen in Bezug auf den Umgang mit personenbezogenen Daten im Ergebnis ab. Seine Ausführungen wollte Prof. Oermann insgesamt nicht als kulturpessimistische Einschätzung im Sinne Oswald Spenglers verstanden wissen.  

Dennis Kaben, Legal Director, Google Germany GmbH – Wettbewerb bei mobilen Betriebssystemen

Kaben gab an, das weltweit mehr als die Hälfte der internetfähigen Geräte mobile Geräte seien. Allein Android sei eine Erfolgsgeschichte. Kaben führte zunächst aus, was Android sei, nämlich ein Betriebssystem für mobile Geräte wie Smartphones oder Tablets. Google habe im Jahr 2005 eine kleine Softwarefirma gekauft, die ein mobiles Betriebssystem namens Android entwickelt habe. Im Jahr 2015 habe Android über 400 Partnerhersteller gehabt, die mehr als 4000 verschiedene Geräte hergestellt hätten. Android habe Hersteller von hohen Lizenzkosten für Betriebssysteme oder hohen Entwicklungskosten befreit. Dies habe auch dazu beigetragen, dass Hersteller global wettbewerbsfähig und erfolgreich seien. Zusätzlich fördere Android den Preiswettbewerb; es gebe eine höhere Preisdifferenzierung und mehr Auswahl im unteren Preissegment. Letztlich profitierten Nutzer, Entwickler und Hersteller von Android: Die Nutzer aufgrund von fallenden Preisen. Außerdem seien die Nutzer durch die Interoperabilität nicht an einen einzigen Hersteller oder ein einziges Gerät gebunden, sondern könnten ihre Apps geräte- und herstellerübergreifend nutzen. Die Entwickler hätten direkten Zugang zu einem globalen Publikum, und die Hersteller würden von hohen Lizenz und Entwicklungskosten für Betriebssysteme befreit. Im Übrigen seien Hersteller von Android-Geräten nicht verpflichtet, Google Apps vorzuinstallieren. Jeder könne Android ohne Google Apps nutzen. Die Entscheidung, Google Apps auf Android-Geräten vorzuinstallieren, hindere die Hersteller und Netzbetreiber nicht daran, auch andere Apps vorzuinstallieren. Auch Nutzer sei nicht an vorinstallierte Google Apps gebunden.

Kaben berichtete über die förmliche Untersuchung der Kommission zum mobilen Betriebssystem Android. Die Kommission werde insbesondere prüfen, ob Google illegal die Entwicklung und den Marktzugang konkurrierender mobile Anwendungen oder Dienste behindert habe, indem Google von Smartphone- und Tabletherstellern verlangt oder ihn ein Anreiz geboten habe, ausschließlich googleeigene Anwendungen oder Dienste vorzuinstallieren. Weiter werde sie untersuchen, ob Google Smartphone- oder Tablethersteller an der Entwicklung und dem Vertrieb veränderter und potentiell konkurrierender Versionen von Android auf anderen Geräten gehindert und damit illegal die Entwicklung oder den Marktzugang konkurrierender mobiler Betriebssysteme und mobiler Anwendungen oder Dienste behindert habe. Schließlich werde sie prüfen, ob Google illegal die Entwicklung und den Marktzugang konkurrierender Anwendungen oder Dienste behindert habe, in dem es eine Kopplung oder Bündelung bestimmter auf Android-Geräten vertriebener Google-Anwendungen und -Dienste mit anderen Anwendungen etc. von Google vorgenommen habe. Die Einleitung eines förmlichen Verfahrens greife dem Ergebnis des Verfahrens indes nicht vor.

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