Kurzbericht zum 57. Innsbrucker Symposion des FIW, 14.-16. Februar 2023
FIW
57. FIW-Symposion
Kartellrecht
Das diesjährige Innsbrucker Symposion des FIW fand vom 14. Februar bis zum 16. Februar 2024 statt. Zur Einstimmung auf die Tagung fand am Vorabend der Tagung ein Empfang auf Einladung der BWB statt.
Donnerstag – 14.02.2024
Dr. Horst Satzky, Geschäftsführendes Mitglied des FIW-Vorstandes, begrüßte die Teilnehmer.
Der Präsident des Bundeskartellamts, Andreas Mundt, eröffnete mit seinem Vortrag „Aktuelle Entwicklungen der Kartellrechtspraxis des Bundeskartellamtes“ die Tagung (vgl. dazu separaten FIW-Bericht vom 22.02.24).
An diesen Vortrag schlossen sich Vorträge und eine Podiumsdiskussion zum Thema „Art. 210a CMO and § 2 Austrian Competition Law: a comparative discussion of different approaches for the handling of sustainability cooperations“ (vergleichende Diskussion verschiedener Ansätze für den Umgang mit Nachhaltigkeitskooperationen) an. Vortragende und Diskutanten waren Marin Bankow, GD Wettbewerb, EU-Kommission, Professor Dr. Thomas Lübbig, Freshfields Bruckhaus Deringer und MMAg. Erika Ummenberger-Zierler, Abteilungsleiterin, Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft, Wien.
Lübbig führte ein und wies darauf hin, dass das neue Kapitel 9 der Horizontalen Leitlinien der EU-Kommission schwer anwendbar seien, wenn die Vereinbarungen nicht unter die Safe Harbours fielen. Der ältere Art. 210a GMO (Gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse) sei eine sektorspezifische Ausnahmeregelung vom Wettbewerbsrecht für übergesetzliche Nachhaltigkeitsstandards in der Lebensmittelversorgungskette. Die Vorschrift biete erheblichen Spielraum, um Nachhaltigkeitsprojekte zwischen landwirtschaftlichen Erzeugern, aber auch entlang der gesamten Lieferkette kartellrechtskonform umzusetzen. Bereits 2013 sei den Landwirten in der GAP-Reform Ausnahmen vom EU-Kartellrecht eingeräumt worden. Lübbig erwähnte in dem Zusammenhang beispielweise auch die Kommissionsleitlinien zum gemeinsamen Verkauf von Olivenöl, Rindfleisch und Kulturpflanzen. Art. 210a GMO verkörpere einen pragmatischeren Ansatz als Kapitel 9 der Horizontal-Leitlinien und weise nur eine strenge Prüfung der Unerlässlichkeit auf. Damit stelle sich die berechtigte Frage, warum dieser Ansatz nur auf landwirtschaftliche Erzeuger beschränkt sei. Die neuen Leitlinien nach Art. 210a GMO von 2023 seien viel detaillierter als Kapitel 9 der allgemeinen horizontalen Leitlinien und enthielten viel mehr Fallbeispiele.
Bankov legte die genauen Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 210a GMO dar und ging dann auf den quantitativen Umfang der Wettbewerbsbeschränkung ein. So könne bei direkten oder indirekten Preisanhebungen eine Prüfung dahingehend erfolgen, in welchem Maße die Wirtschaftsakteure die Preise nach vernünftigem Ermessen anheben müssten, um den betreffenden Nachhaltigkeitsstandard zu erreichen. Es sei davon auszugehen, dass eine solche Anreizzahlung den Anforderungen des quantitativen Teils der Unerlässlichkeitsprüfung gerecht werde, wenn sie 20 % des ansonsten für entstehende Kosten und Einkommensverluste gewährten Ausgleichs nicht übersteige. In Fällen darüber sei eine Unerlässlichkeitsanalyse im Einzelfall durchzuführen. Auch Bankov fragte nach der Möglichkeit einer Anwendung dieses Ansatzes in andere Bereiche. Er verwies auch auf die Möglichkeit, informelle Beratung zu neuen oder ungelösten Fragen bei der Kommission einzuholen.
Ummenberger-Zierler legte den Hintergrund für § 2 des österreichischen Kartellgesetzes dar, wonach Kooperationen von Unternehmen zum Zweck einer ökologisch nachhaltigen oder klimaneutralen Wirtschaft vom Kartellverbot freigestellt werden können. Die davon umfassten Nachhaltigkeitserwägungen sollen insbesondere den Klimaschutz (z. B. Nutzung erneuerbarer Energien, Reduktion der Treibhausgasemissionen), die nachhaltige Nutzung und den Schutz der Wasserressourcen, den Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft (z. B. Förderung der Reparierbarkeit und Wiederverwertbarkeit von Produkten, verstärkter Einsatz von Sekundärrohstoffen) sowie den Schutz und die Wiederherstellung der biologischen Vielfalt und der Ökosysteme (z. B. nachhaltige Forstwirtschaft) umfassen. Da in Europa/Österreich die Produktionskosten höher seien als in andere Regionen (mehr Regulierung, höhere Kosten der Inputfaktoren), könnten europäische Produzenten einen reinen Preiswettbewerb nicht gewinnen. Daher müssten Faktoren wie Qualität und Innovation bei der Durchsetzung des Wettbewerbsrechts besser berücksichtigt werden. Auch sei eine Beteiligung der Verbraucher an Effizienzgewinnen anzunehmen, wenn diese zu einer ökologisch nachhaltigen oder klimaneutralen Wirtschaft beitrügen, wobei auch der Nutzen für zukünftige Generationen (Out-of-Market-Effizienzen) miteinbezogen würde. Ummenberger-Zierler meinte, dass die EU-Kommission den sehr engen Verbraucherwohlstandard bereits in den nächsten 5 Jahren aufgrund der dringenden Transformationsziele evaluieren sollte.
Es folgten Vortrag und Aussprache mit Dr. Elga Bartsch, Abteilungsleiterin, Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, Berlin, zu „Aktuellen wirtschaftspolitische Herausforderungen und der wettbewerbspolitischen Agenda des BMWK“. Bartsch stellte darin die aktuellen strukturellen Herausforderungen dar und kennzeichnete die einzuhaltenden Rahmenbedingungen. Die wirtschaftliche Lage sei alles andere als gut. Bundesminister Habeck habe sie als „dramatisch schlecht“ bezeichnet. Die Wirtschaft sei im 4. Quartal geschrumpft, der Einstieg ins erste Quartal 2024 sei nicht gut gelaufen. Daher müssten die Konjunkturaussichten merklich nach unten korrigiert werden. Ein Jahr des Nullwachstums stünde bevor. Deutschland hänge als Warenexporteur von der Weltwirtschaft ab. Der Schuldenstand im internationalen Vergleich sei sehr niedrig, allerdings müsse die sog. Schuldenbremse beachtet werden. Das Beschäftigungswachstum in Deutschland werde seit Anfang 2023 allein von ausländischen Arbeitnehmern getragen; der demographische Wandel sei bereits spürbar, weshalb Verbesserungen der Erwerbsanreize und qualifizierte Zuwanderung nötig seien. Des Weiteren müssten die Transformationen der Industrie vorangetrieben und die Phase steigender CO2-Preise vorbereitet werden. Erfolgreiche Transformation benötige auch klassische angebotspolitische Elemente wie ausgewählte steuerpolitische Anreize.
Bartsch ging darüber hinaus auf die 12. GWB-Novelle ein, die bevorstehe. Wettbewerb müsse funktionieren, um die Wirtschaft zu stützen. Um Prioritäten zu setzen, habe das BMWK in seiner Vorabkonsultation, an der sich 136 Interessenten beteiligt hätten, die Themen Fusionskontrolle, Ministererlaubnis, Nachhaltigkeitskooperationen, Verbraucherschutz und Kartellschadensersatz aufgerufen. Bei der Fusionskontrolle wolle das Ministerium prüfen, wie sich der bürokratische Aufwand weiter reduzieren ließe (ggf. durch eine regelmäßige Anpassung an das Preisniveau). Es müsse sichergestellt werden, dass alle relevanten Fälle geprüft würden. Hier stehe u. a. der Transaktionsschwellenwert auf dem Prüfstand, auch auf EU-Ebene. Bei der materiellen Fusionskontrolle sähe die überwiegende Mehrheit der Teilnehmer an der Befragung keinen Anpassungsbedarf. Bei Nachhaltigkeitskooperationen konzentriere sich die Prüfung, inwieweit es gesetzlichen Änderungsbedarf gebe, auch das Kartellverbot.
Auf EU-Ebene müsse ebenfalls überlegt werden, ob die Umsatzschwellen angepasst werden sollten. Immer mehr Fusionen seien im Laufe der Zeit in Brüssel anmeldepflichtig geworden. Auch setze sich das BMWK dafür ein, ein „Sector Competition Tool“ einzuführen, mit dem die EU-Kommission den Wettbewerb in einzelnen Sektoren gezielt verbessern könne, vor allem bei internationalen Dimensionen und mit Schlüsselfunktionen.
In dem letzten Panel dieses Tages diskutierten Dr. Markus Schöner, CMS Hasche Sigle, Julia Dietrich, Frontier Economics, und Dr. Sebastian Wismer, Bundeskartellamt, zum Thema „Preisbildung durch KI und die Grenze zwischen kompetitiven und koordinierten Preisen“.
Schöner gab einen Überblick über Kartellverbot, Missbrauchskontrolle, Fusionskontrolle, New Competition Tool und erwähnte auch eine aktuelle Gesetzesinitiative der u.s.-amerikanischen Senatorin Klobuchar vom Februar 2024 („Preventing Algorithmic Collusion Act“), mit der diese die Transparenz bei Algorithmen zur Preisfestsetzung erhöhen und einige Regeln beim Aufsetzen neuer Algorithmen beschließen will. Er schilderte Fälle und nannte Beispiele, wie Künstliche Intelligenz bei der Aufdeckung von Kartellen eine Rolle spielen könne. Unternehmen seien für Ihre Künstliche Intelligenz auch kartellrechtlich verantwortlich. Beobachtende Algorithmen verstießen nicht gegen das Kartell-, aber u. U. gegen das Missbrauchsverbot, während kommunizierende Algorithmen auch gegen das Kartellverbot verstoßen könnten. Kartellbehörden würden zunehmend auf Problemkreise generativer KI aufmerksam, welche einen Missbrauch von Marktmacht begünstigen könnten.
Dietrich bot einige Algorithmus-Definitionen an. Sie merkte an, dass aus ökonomischer Sicht Preissetzungs- und anderen Algorithmen sowohl positive als auch negative Auswirkungen auf den Wettbewerb haben könnten, und führte mögliche positive und negative Effekte weiter aus. Inwieweit diese angesichts von Experimenten auf simulierten Märkten in der realen Wirklichkeit zum Tragen kämen, sei auch anhand der Erkenntnisse aus der akademischen Forschung zur algorithmischen Kollusion nicht eindeutig belegt. Für verlässliche, belastbare Angaben würde weitere Forschung benötigt.
Wismer widmete sich insbesondere Fragen der algorithmischen Preissetzung. Vor allem sei die Zurechnungsfrage relevant und wann ein angemessener Sorgfaltsmaßstab als verletzt gelte. Hierzu gebe es noch keine Fallpraxis.
Bereits 2019 hätten die französische und deutsche Wettbewerbsbehörde ein gemeinsames Arbeitspapier „Algorithms and Comeptition“ vorgelegt, das potenziell mit dem Einsatz von Algorithmen verbundene Risiken für den Wettbewerb untersucht hat. Wismer stellte Betrachtungen hinsichtlich einer weiteren Einordnung der in dem ökonomischen Beitrag genannten Szenarien an. Um die Rolle eines Algorithmus im Unternehmen und dessen Funktionsweise zu verstehen, müsse man fallspezifisch herangehen und sich die zum Einsatz kommenden Geschäftsmodelle sowie Lasten- und Pflichtenhefte ansehen und eine Datenanalyse durchführen. Das relativ neue Thema „generative KI“ hingegen hätte nichts mit einer Preissetzung im engeren Sinne zu tun. Man müsse das überwachte Lernen (supervised Learning) und das unüberwachte Lernen (unsupervised Learning) auseinanderhalten. Auch in diesem Feld könne es zu Netzwerkeffekten, Datenvorsprüngen, Größen- und Verbundvorteilen sowie Abhängigkeiten in der Wertschöpfung kommen. Es bleibe abzuwarten, ob hier neue Schadenstheorien zum Tragen kommen werden.
Freitag – 15.02.2024
Professor Dr. Wolfgang Kirchhoff, Bundesgerichtshof, gab seinen Überblick über die zurückliegende Aktuelle Rechtsprechung des BGH zum Kartellrecht.
Im Fall „Vertriebskooperation im SPNV“ (Urt. v. 04.04.2023, KZR 20/21), bei dem es um einen Auskunftsanspruch im Zusammenhang mit Kartellschadensersatz ging, habe der BGH klargestellt, dass der Offenlegungsanspruch nach § 33g GWB mit dem materiellen Tatbestandsmerkmal der Glaubhaftmachung lediglich eine gewisse Wahrscheinlichkeit eines Kartellschadensersatzanspruchs verlange. Es gelte das Beweismaß des § 286 ZPO. Der Kartellsenat habe dem Zusagenbeschluss nach § 32b GWB im Rahmen des § 33g GWB nicht nur eine Indizwirkung, sondern eine de facto-Regelwirkung für die Glaubhaftmachung zugemessen.
Im Fall „LKW-Kartell III“ (Urt. v. 05.12.2023, KZR 46/21) habe der BGH entschieden, dass Ansprüche auf Ersatz von kartellbedingten Schäden auch Leasingnehmern und Mietkäufern von Lastkraftwagen zustehen können. Er habe sein Urteil auf den Erfahrungssatz gegründet, dass die erzielten Preise im Rahmen des Kartells höher seien als diejenigen ohne Kartell. Im Beschluss „Matratzen“ (Beschl. v. 12.09.2023, KZR 39/21) sei es um Schadensersatz eines Matratzenhändlers gegenüber einer Herstellerin von Matratzen wegen kartellrechtswidriger Liefersperre und Boykottaufrufen gegangen. Der BGH habe entschieden, dass es für die Betroffenheit im Sinne des § 33 GWB nur darauf ankomme, ob dem Anspruchsgegner ein wettbewerbsbeschränkendes Verhalten anzulasten sei, das geeignet ist, einen Schaden des Anspruchstellers mittelbar oder unmittelbar zu begründen. Er legte dem Tatrichter auf, zu prüfen, ob nicht wenigstens ein Mindestschaden geschätzt werden könne. Eine Schätzung sei nur dann entbehrlich, wenn diese willkürlich wäre.
Im Fall „Die Freien Brauer“ (Urt. v. 26.09.2023, KZR 73/21) ging es um die Verfolgung kartellrechtlicher Schadensersatzforderungen durch einen Berufsverband für seine Mitglieder. Der BGH habe erkannt, dass ein Verband dann dazu befugt sei, sofern dieser zur Wahrung gemeinsamer Interessen gegründet worden ist, ohne Gewinnerzielungsabsicht lediglich eine Kostenpauschale für die bei der Verfolgung der Schadensersatzansprüche entstehenden Allgemeinkosten erhebt und die Rechtsdienstleistung im Rahmen seines satzungsmäßigen Aufgabenbereichs erfolgt.
Im Fall „Wasserpreise Gießen“ (Beschl. v. 14.02.2023, KVZ 38/20) ging es um die Frage, ob die Kartellbehörde den durch einen Kartellverstoß erwirtschafteten Vorteil abschöpfen dürfe, oder aber im Wege der Rückerstattungsanordnung vorgehen müsse Der BGH habe geurteilt, dass dies grundsätzlich im pflichtgemäßen Aufgreif- und Verfolgungsermessen der Behörde stehe, wobei diese allerdings dem der Rückerstattung zugrundeliegenden Gesetzeszweck, einen wirksamen Rechtsgüterschutz für die Geschädigten zu gewährleisten, hinreichend Rechnung zu tragen habe. Schließlich berichtete Kirchhoff von dem Vorlagebeschluss des BGH (27.06.2023, KZR 71/21) – Reglement für Spielervermittler. Der BGH habe über die Frage befunden, ob einzelne Regelungen des vom DFB erlassenen Reglements für Spielervermittlung (RfSV) u. a. gegen das Kartellverbot aus Art. 101 Abs. 1 AEUV verstoßen und habe dem EuGH hierzu spezifische Fragen vorgelegt.
Der Unternehmensvortrag hielten die Co-Gründer des Innsbrucker Start-Ups MADiscover Dr. Mai Anh Dao, CEO MADisvover und Dr. Wieland Alge, Managing Partner, MAD ventures GmbH.
MADiscover suche mit Hilfe von Big-Data-Analysen und künstlicher Intelligenz weltweit automatisiert passende Partner für Unternehmen, die an Übernahmen oder Fusionen interessiert sind. 2019 gegründet, habe man sich das Ziel gesetzt, die nächste Generation von Start-Ups in Innsbruck und Tirol zu begleiten. MADiscover wolle das Problem lösen, dass die Prozesse eines strategischen Unternehmenskaufs zu erratisch und irrational abliefen. Dieser Prozess sei zu „dehumanisieren“. Es biete „Screening“ als seine Dienstleistung an. Die M&A-Zielsuche werde mit KI-basierten Algorithmen, Big-Data-Analytik und dem Fachwissen der Kunden kombiniert. Mithilfe natürlicher Sprachverarbeitung, maschinellem Lernen und dem unternehmensproprietären Algorithmus durchsuche MADiscover weltweit Tausende von Unternehmen für jede Branche und Technologie. Das Unternehmen entwickele sich überdurchschnittlich gut.
Dao erklärte, woran MADiscover festmache, zu bestimmen, welches Unternehmens am ehesten zu welchem Synergiepotential passe. Zunächst würden so viele Informationen wie möglich über Kompetenzen des Unternehmens und Zielmärkte gesammelt. Für die Informationssammlung brauche man menschliche Intelligenz. Der manuelle Prozess des Target Sourcing werde dabei auf ein Minimum reduziert. MADiscover beschäftige derzeit fünf Mitarbeiter. Danach würden mehrere relevante Branchen gescreent. Werde z. B. ein IT-Bereich gesucht, würde auch in ganz verschiedenen Branchen auch unter Zuhilfenahme öffentlicher Textdaten und Plattformen gesucht. Die Suche unter Anwendung von NLP (national language processing) und generativer KI weite sich auf diese Weise schnell weltweit auf mehrere tausend Unternehmen aus.
Das Endergebnis sei nach mehrfachem Datenabgleich (Discover, Customize, Create scenarios) eine kuratierte Liste, bei der alle Unternehmen passende Aufkäufe darstellten. De-Humanizing, aber auch Re-Humanizing unter Verwendung von IT und Kick-Off Beginn funktioniere nur mit verschiedenen Ebenen. Dao betonte, dass MADisover geradezu „branchenagnostisch“ vorgehe. Das Sreening beziehe sich weltweit auf die unterschiedlichsten Branchen. Die Dienstleistung umfasse nicht nur M&A-Fälle, sondern auch Technologien oder Wettbewerberanalysen.
Die Tagung schloss mit Professor Dr. Thomas Ackermann, Ludwig-Maximilians-Universität, München, zum Thema „Ein „more judicial approach“? Herausforderungen an die kartellrechtliche Praxis am Ende der Ära des „more economic approach“. Kommentiert wurde der Vortrag von Professor Dr. Georg Götz, Justus-Liebig-Universität, Gießen.
Ackermann referierte über den Beginn des „more economic approach“ und dessen Entwicklung. Mit der Dezentralisierung des EG-Kartellrechts sei eine Hinwendung zur Verbraucherwohlfahrt als maßgebliches Kriterium für Anwendung und Auslegung des Kartellrechts gekommen. Die Ära des „more economic approach“ gehe in einem graduellen Prozess zu Ende. Als Belege führte er DMA und § 19a GWB als kartellrechtsähnliches Regulierungsrecht sowie die DrittstaatensubventionsVO und den Data Act als kartellrechtsbenachbartes Wirtschaftsrecht an. Das Ziel des Wettbewerbsschutzes habe sich infolge der Entwicklung von Rechtsprechung und Behördenpraxis und einer einsetzenden Zieldiversifikation, etwa durch hinzutretende Ziele wie den „Green Deal“ und den Verbraucherschutz, gewandelt. Die Tendenz zeige einen größeren Interventionsspielraum und größere Ziel- und folglich auch Rechtsunsicherheit auf. Der „more economic approach“ sei mittlerweile durch einen „more judicial approach“ abgelöst worden.
Götz hielt dagegen und meinte, dass der „more economic approach“ der EU-Kommission vor allem kurzsichtige Preiseffekte ins Zentrum gestellt habe, ohne das große Ganze im Blick zu haben. Als Ökonom müsse man aber die gesamten (dynamischen und statischen) Auswirkungen betrachten. Die Politik habe bei zunehmender Regulierung nicht die Verbraucherwohlfahrt im Blick. Es gehe bei den Regulierungsthemen vielmehr um Umverteilung (Beispiel DMA); eine Renditenverteilung habe jedoch nichts mit Konsumentenwohlfahrt zu tun. Als Lichtblick bezeichnete Götz hingegen den EuGH, der die Ökonomie hochhalte. Falls die Bestandsaufnahme von Ackermann Bestand hätte, gäbe es auch keinen „judicial approach“ mehr, sondern nur noch einen „political approach“.