Bundesrat
Private Rechtsverfolgung
Sammelklagen
Musterfeststellungsklage
Der Bundesrat hat in seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause am 06.07.2018 die Einführung der Musterfeststellungsklage gebilligt. Der Bundestag hatte ihre Einführung am 14.06.2018 beschlossen (BR-Drs. 268/18), (vgl. dazu FIW-Bericht vom 21.06.2018). Damit schloss der Bundesrat das parlamentarische Verfahren zur Einführung der Musterfeststellungsklage für Verbraucherverbände ab. Das Gesetz wird nun dem Bundespräsidenten zugeleitet, damit es im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden kann. Das Gesetz, das die Durchsetzung von Verbraucherrechten stärken soll, wird überwiegend am 01.11.2018 in Kraft treten, damit die vom Dieselabgasskandal Geschädigten noch rechtzeitig vor der Verjährung ihre Ansprüche geltend machen können.
Auf der Internetseite des Bundesrates wird der wesentliche Inhalt wie folgt hervorgehoben:
Über die Musterfeststellungsklage können geschädigte Verbraucher in Deutschland erstmals gemeinsam vor Gericht auftreten. Die gerichtlichen Auseinandersetzungen werden über eingetragene Verbraucherschutzverbände geführt. Sie müssen mindestens 350 Mitglieder haben.
Eine Musterfeststellungsklage ist dann möglich, wenn mindestens zehn Verbraucher ihre Betroffenheit glaubhaft machen und sich binnen zwei Monaten insgesamt 50 Betroffene in einem Klageregister anmelden. Helfen soll das neue Verfahren bei Massengeschäften wie Preiserhöhungen von Banken oder Energielieferanten oder auch unfairen Vertragsklauseln.
Der Bundesrat betont, dass die Bundesregierung einige Forderungen gemäß seiner Stellungnahme zum ursprünglichen Regierungsentwurf vom 8.6.2018 aufgegriffen habe. Hierzu gehöre unter anderem eine Verkürzung des Instanzenzuges, um zügigere Verfahren zu ermöglichen. Auch die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit zur Vermeidung von forum shopping gehe auf eine Forderung der Länder zurück. Gleiches gelte für die Lockerung der strikten Vorgabe, wonach Verbraucher bei der Klageanmeldung zwingend den Betrag der Forderung angeben mussten.
Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetzentwurf:
Hintergrund:
Am 14. Juni 2018 hatte der Bundestag in 2. und 3. Lesung das Gesetz zur Einführung einer zivilprozessualen Musterfeststellungsklage beschlossen. Der Bundestag hatte den Gesetzentwurf der Bundesregierung für erledigt erklärt und stattdessen eine gleichlautende Fraktionsinitiative verabschiedet. Die Fraktionen von Union und SPD stimmten geschlossen für das Gesetz, die Oppositionsfraktionen geschlossen dagegen.
Die näheren Bestimmungen über Inhalt, Aufbau und Führung des Klageregisters, die Einreichung, Eintragung, Änderung und Vernichtung der im Klageregister erfassten Angaben, die Erteilung von Auszügen aus dem Klageregister sowie die Datensicherheit und Barrierefreiheit werden vom Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz durch eine gesonderte Rechtsverordnung getroffen.
Die Musterfeststellungsklage (MFK) sieht folgende Voraussetzungen vor:
- Die Klage erheben können nur qualifizierte Einrichtungen. Klagebefugt sind nur besonders qualifizierte Einrichtungen. Dazu zählen in Deutschland registrierte Verbraucherschutzvereine nach § 4 UKlaG und ausländische qualifizierte Einrichtungen, die in einer Liste der EU-Kommission aufgeführt werden. Qualifizierte Einrichtungen müssen seit mindestens vier Jahren in dieser Liste eingetragen sein, mindestens 350 Mitglieder oder 10 Mitgliedsverbände haben. Die Sicherung einer satzungsmäßigen Aufgabenwahrnehmung soll durch eine weitgehend nicht gewerbsmäßige aufklärende oder beratende Tätigkeit gewährleistet werden. Sie dürfen mit Erhebung der Musterfeststellungsklage keine Gewinnerzielungsabsicht verfolgen und dürfen nicht mehr als 5 % der finanziellen Mittel von Unternehmen aufweisen.
- Klagevoraussetzung soll die schlüssige Darlegung und Glaubhaftmachung des Sachverhalts für mindestens 10 individualisierte Betroffene sein.
- Das Verfahren soll nur durchgeführt werden, wenn mindestens 50 Betroffene innerhalb von zwei Monaten Ansprüche zum Klageregister anmelden.
- Zu den zuvor genannten Voraussetzungen muss die Klageschrift Angaben und Nachweise erhalten;
- Die Anmeldung von Ansprüchen muss frist- und formgerecht erfolgen und eine Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben enthalten, es findet keine inhaltliche Prüfung der Ansprüche statt.
Weitere Charakteristika der MFK (nicht abschließend):
- Feststellungsziele: Zentrale Streitfragen und Anspruchsvoraussetzungen mit Bedeutung für eine Vielzahl von Verbrauchern werden in einem einzigen Verfahren entschieden.
- Opt-in-Verfahren: Betroffene Verbraucher können ihre Ansprüche zum Klageregister anmelden, um von den Wirkungen der MFK zu profitieren.
- Klageregister: Das Register wird beim Bundesamt für Justiz geführt.
- Verjährungshemmung: Durch die wirksame Anmeldung wird die Verjährung der Ansprüche ab Erhebung der MFK gehemmt.
- Bindungswirkung: Das Urteil entfaltet für Folgestreitigkeiten zwischen angemeldeten Verbrauchern und beklagtem Unternehmen Bindungswirkung.
- Vergleich: Ein Vergleich kann Feststellungen oder Leistungen an die angemeldeten Verbraucher zum Gegenstand haben.
- Durchsetzung: Kommt es nicht bereits zu einer freiwilligen Leistung des Unternehmens, können die angemeldeten Verbraucher ihre individuellen Ansprüche auf Grundlage der Urteilsfeststellungen durchsetzen. Ggfs. müssen sie ergänzend individuelle Anspruchsvoraussetzungen nachweisen.