Rede
Wettbewerbskommissarin
Margrethe Vestager
Am 9. Dezember 2020 hielt die Wettbewerbskommissarin und Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, Margrethe Vestager, die Rede „Defining markets in a new age“ in Brüssel bei der Chillin‘ Competition Conference.
Neue Marktdefinition?
Vestager widmete sich der Frage, ob es einer neuen Marktdefinition bedürfe. In der Bekanntmachung zur Marktdefinition von 1997 seien die Grundsätze für eine Definition festgelegt worden. Allerdings funktionierten die Märkte infolge der Veränderungen durch Globalisierung und Digitalisierung heute anders als vor 22 Jahren. Zudem hätten die Sonderberater der Kommission hätten in ihrem Bericht über die Wettbewerbspolitik im digitalen Zeitalter auf neue Herausforderungen bei der Marktdefinition hingewiesen.
Vestager bekräftigte, dass sie die Bekanntmachung zur Marktdefinition überprüfen wolle (vgl. dazu auch FIW-Bericht vom 16.10.2019 zur Anhörung von Vestager im Europäischen Parlament). So sollte sichergestellt werden, dass die Leitlinien korrekt und aktuell seien und einen klaren und einheitlichen Ansatz für Kartell- und Fusionsfälle für die verschiedenen Branchen aufwiesen. Vestager kündigte eine öffentliche Konsultation an.
Vestager betonte auch, dass die Kommission den Begriff „Marktdefinition“ nicht beliebig definieren könne, sondern es vor allem darum gehe, den Markt und die Märkte möglichst exakt zu erfassen. In jedem Fall sei das „komplexe Zusammenspiel von Produkteigenschaften, Kunden- und Lieferantenverhalten sowie von Substitutionsentscheidungen der Unternehmen dabei zu untersuchen.
Zu berücksichtigen sei die sich ändernde Reichweite der geografischen Märkte, gerade mit Blick auf den globalen Handel. Allerdings komme es stets auf den Einzelfall und das spezifische Produkt an. Vestager sagte dazu klarstellend: „(…) it doesn’t make much sense to lay down a general rule for every market – to say, for example, that all markets have now become global. Instead, we need to continue to look at each market on its own merits.“
Vestager erläuterte, dass seit 2015 zwei unabhängige Wettbewerbsökonomen untersucht hätten, wie die Kommission geografische Märkte definiere, und zu dem Schluss gekommen sei, dass die Handhabung der Kommission im Allgemeinen dem neuesten wirtschaftlichen Denken und der Praxis anderer führender Wettbewerbsbehörden auf der ganzen Welt entspreche. Vorschläge der Berater beliefen sich darauf, dass die Marktdefinition kein Selbstzweck, sondern lediglich Ausgangspunkt für die Untersuchungen der Kommission sein sollte. Es seien regelmäßig auch Kriterien außerhalb der geographischen Märkte heranzuziehen, etwa bei Fusionsvorhaben ob und in welchem Umfang Wettbewerb aus Drittmärkten beispielsweise im Binnenmarkt zu erwarten sei.
Vestager stellte klar, dass auch der sachlich relevante Markt vom Wandel betroffen sei. So stelle die Digitalisierung auch die Definition von Produktmärkten, so z.B. in Fragen des Substitutionsverhaltens der Konsumenten, vor neue Herausforderungen. Bei den großen digitalen Unternehmen seien Verbraucher oftmals mit einer Vielzahl von Produktmärkten und Dienstleistungen konfrontiert, die jene mitunter auch in eine Lock-In-Situationen brächten. Dies beeinträchtige die Wahlmöglichkeiten, was bei der Marktdefinition berücksichtigt werden müsste.