Sektoruntersuchung Raffinerien und Kraftstoffgroßhandel: Abschlussbericht BKartA
Sektoruntersuchung_Raffinerien_Abschlussbericht.pdf
Das Bundeskartellamt hat am 19. Februar 2025 den schon
seit Längerem angekündigten Abschlussbericht seiner Sektoruntersuchung zu
Raffinerien und dem Kraftstoffgroßhandel vorgelegt. Hintergrund der Untersuchung
waren die Preisentwicklungen für Kraftstoffe unmittelbar nach dem Überfall Russlands
auf die Ukraine im Februar 2022. In dem Abschlussbericht erläutert das BKartA die
Strukturen und die Preissetzungsmechanismen auf den Produktions- und
Großhandelsstufen der Mineralölwirtschaft. Zuvor hatte das Amt Ende 2022 einen Zwischenbericht veröffentlicht,
der sich mit den für die Preisschwankungen ursächlichen produktions- und
kostenrelevanten Rahmenbedingungen sowie den Kapazitätsentwicklungen der
Raffinerien befasste. In dem Zwischenbericht wurde außerdem untersucht, inwieweit
der im Sommer 2022 eingeführte dreimonatige Tankrabatt an die Endkunden
weitergegeben wurde. Der Abschlussbericht ergänzt den Zwischenbericht um die weiteren
Bereiche des Großhandels mit Mineralölprodukten.
Zentrale Ergebnisse:
Regionale Märkte für den Erstabsatz von Kraftstoffen: Das
BKartA sieht Anhaltspunkte dafür, dass im Hinblick auf die räumliche
Marktabgrenzung kein bundesweiter Markt vorliegt, sondern das jeweilige
Marktgebiet beim inländischen Erstabsatz ab Raffinerie bzw. ab Tanklager
vielmehr regional begrenzt ist, was insbesondere mit der Einschätzung der
Marktteilnehmer begründet wird.
Bedeutung von Preisnotierungen beim Absatz von
Mineralölprodukten: Das BKartA sieht eine wichtige
Rolle der Preisnotierungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette für die
Preissetzung und hat daher einen Schwerpunkt in den Untersuchungen auf das
Zustandekommen und die Funktionsweise von Preisnotierungen gelegt. Insbesondere
stellt das Amt fest, dass die Notierungen teilweise nur auf einer geringen
Anzahl von Meldungen basierten und dass eine Vielzahl der Meldungen von wenigen
Marktteilnehmern stammten.
Vertragsgestaltung und Preisbildung auf Großhandelsebene: Die
Vertragsgestaltung und Preissetzung unterscheiden sich danach, ob es sich um
einen Term- oder einen Spotvertrag handelt. Kraftstoffe auf der
Großhandelsebene werden vorwiegend mittels „Termverträgen“ beschafft, bei denen
Preise auf
Basis von Preisnotierungen zum Lieferzeitpunkt festgelegt werden. Festpreise
sind seltener und werden hauptsächlich auf dem Spotmarkt verwendet.
Preissetzung und Nachfrage an Tankstellen: Hinsichtlich der
Preisänderungen an den Tankstellen stellt der Bericht fest, dass es im Jahr 2014 pro
Tag noch etwa vier bis fünf Preisänderungen gab, während Anfang 2024 bereits
durchschnittlich 18 Preisänderungen die Regel waren. Nach Auffassung des BKartA
führen die häufiger werdenden Preisänderungen zu einer zunehmenden
Preisintransparenz. Das BKartA gibt zu, dass die auf diesem Markt bestehende
hohe Transparenz durch die Einführung der Markttransparenzstelle-Kraftstoffe
noch zugenommen hat. Es möchte die Auswirkungen der hohen Preisvolatilität
durch weitere Untersuchungen prüfen.
Wettbewerbliche Risiken: Das BKartA äußert
Zweifel, dass die Methodiken zur Berechnung von Preisnotierungen einen
ausreichenden Schutz vor wettbewerbsschädlichen Risiken gewährleisten. Es sieht
zum einen wettbewerbsrechtliche Kollusionsrisiken und zum anderen Anreize für
Unternehmen, Preise unilateral zu ihrem Vorteil zu beeinflussen.
Weiteres Vorgehen: Das BKA empfiehlt dem Gesetzgeber zu prüfen,
ob die untersuchten Preisnotierungen strengeren gesetzlichen Anforderungen
unterstellt werden sollten. Hilfsweise regt das BKA eine Initiative der
EU-Kommission zur Überarbeitung der IOSCO-Grundsätze für Ölpreismeldestellen
und der entsprechenden Vorschriften der EU-Benchmark-Verordnung an. Konkret
wird gefordert, dass Preisnotierungsanbieter insbesondere keine Informationen
offenlegen sollen, die Rückschlüsse auf das konkrete Preissetzungsverhalten
einzelner Unternehmen zulassen. Zudem sieht das BKartA Reformbedarf bei der
Möglichkeit der selektiven Meldung von Transaktionen, Geboten und Angeboten.
Das BKartA erwägt zudem, in einem weiteren Verfahren zu
prüfen, ob in der Kollusions- und
Manipulationsanfälligkeit der Preise bzw. Preisbestandteile eine „erhebliche und fortwährende Störung“ des
Wettbewerbs im Sinne des mit der 11. GWB-Novelle neu eingeführten § 32f Abs. 3 GWB auf der Großhandelsebene (einschließlich des Ab-Raffinerie-Verkaufs)
für den Vertrieb von Dieselkraftstoff, Ottokraftstoff und leichtem Heizöl liegen könnte und ob ggf. Abhilfemaßnahmen
zu erlassen seien. Es will dabei die Subsidiarität des Verfahrens nach §
32f Abs. 3 GWB gegenüber den sonstigen Befugnissen nach Teil 1 des GWB zu
berücksichtigen. Das wäre prospektiv ein erster Anwendungsfall für die neuen
Eingriffsbefugnisse für das Amt nach der letzten Novelle.