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Nationale Wettbewerbsbehörden
ECN Plus

Ende Mai 2018 haben sich das Europäische Parlament, die Europäische Kommission und die bulgarische EU-Ratspräsidentschaft in Trilogverhandlungen auf den finalen Text der Richtlinie zur Stärkung der Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten („ECN+“-Richtlinie) einigen können. Eine konsolidierte Fassung liegt inzwischen in englischer Sprache vor. Der gefundene Kompromiss muss noch offiziell durch das Parlament und den Rat angenommen werden. Inhaltliche Änderungen wird es jedoch nicht mehr geben. Nach der offiziellen Annahme haben die Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit, um die Vorgaben in nationales Recht umzusetzen.

Zu den wesentlichen Inhalten

1. Verfahrensrechte

Einige durch das Europäische Parlament eingebrachten Aspekte zur Stärkung der Verteidigungsrechte der Unternehmen, sind in den finalen Text übernommen werden, insbesondere die Nennung elementarer Verfahrensrechte in Artikel 3 (Recht auf eine Anhörung und auf rechtliches Gehör, Anspruch auf eine Mitteilung der Beschwerdepunkte sowie Sicherstellung einer angemessenen Verfahrensdauer). Ebenfalls neu eingebracht wurde der Grundsatz, sich auch als Unternehmen nicht selbst bezichtigen zu müssen, sowie die Konkretisierung, dass Auskunftsverlangen der Wettbewerbsbehörden spezifisch und vom Umfang her angemessen sein müssen und vernünftige Fristen zur Beantwortung des Auskunftsersuchens gewährt werden (Artikel 8). Für Unternehmensdurchsuchungen benötigt die Wettbewerbsbehörde eine richterliche Anordnung, sofern das nationale Recht eine solche vorsieht (Art. 6).

Der Rat hat sich bei der Frage durchgesetzt, dass jeder Mitgliedstaat sein eigenes Verfahren festlegen dürfe (Art. 13, Abs. 1), während die Kommission und das Parlament sich zuvor für ein reines „Verwaltungsverfahren“ ausgesprochen hatten. Damit sind keine größeren Änderungen für das deutsche Kartellverfahren in seiner aktuellen Ausgestaltung als Ordnungswidrigkeitsverfahren zu erwarten.

2. Bußgelder

Verschärfungen wird es allerdings in anderen Bereichen der Bußgeldbemessung geben. Alle drei Institutionen waren sich einig, dass künftig in allen Mitgliedstaaten der europäische Unternehmensbegriff und damit die obligatorischen Einführung einer verschuldensunabhängigen Konzernverbundhaftung gelten soll (Art. 13 Abs. 5). Hinsichtlich der maximalen Bußgeldhöhe eines Unternehmens bleibt es bei dem ursprünglichen Kommissionsvorschlag, nach dem die Maximalsumme durch die Mitgliedstaaten auf mindestens 10 % des weltweiten Umsatzes im letzten Geschäftsjahr festgelegt wird (Art. 15). Angenommen wurde der Vorschlag des Parlamentes, dass die nationalen Behörden bei Festlegung der Höhe einer Geldbuße mögliche im Rahmen einer Streitbeilegung geleisteten privaten Schadensersatzzahlungen des Unternehmens berücksichtigen können (Art. 14 Abs. 2).

3. Kronzeugenregelungen

Es werden nun die Elemente des bislang unverbindlichen „ECN Model Leniency Programmes“ legislativ vorgegeben, die Richtlinie bleibt jedoch insbesondere bezüglich der Möglichkeit von Kurzanträgen hinter den durch Kommission und auch Parlament gemachten Vorschlägen zurück. Kurzanträge bei nationalen Behörden nach Antragstellung bei der Kommission sollen zwar möglich sein, jedoch nur in Fällen, in denen das Territorium von mehr als drei Mitgliedstaaten betroffen ist (Art. 22). Komplett entfallen ist die sogenannte „5-Tageregelung“, nach der sogar auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Einreichung des Kronzeugenantrages bei der Kommission abgestellt werden sollte, sofern die Kurzanträge innerhalb von 5 Arbeitstagen nach dem Kommissionsantrag bei den nationalen Behörden eingegangen sind. Kurzanträge und Marker können jetzt auch in mindestens einer anderen Amtssprache eingereicht werden.

Hintergrund:

Am 22. März 2017 hatte die EU-Kommission einen Richtlinienentwurf „zur Stärkung der Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten im Hinblick auf eine wirksamere Durchsetzung der Wettbewerbsvorschriften und zur Gewährleistung des reibungslosen Funktionierens des Binnenmarkts veröffentlicht (vgl. FIW-Bericht vom 05.04.2017). Die Richtlinie soll eine einheitliche Durchsetzung des europäischen Wettbewerbsrechts durch die nationalen Kartellbehörden gewährleisten. Hierzu sollen ein gemeinsames Mindestinstrumentarium und wirkungsvollere behördliche Durchsetzungskompetenzen geschaffen werden.

Mit der Richtlinie sollen vor allem folgende Regelungsbereiche verankert werden:

  • Wahrung der Unabhängigkeit der nationalen Wettbewerbsbehörden bei der Durchsetzung des EU‑Wettbewerbsrechts. Die Behörden sollten über die für ihre Arbeit erforderlichen Ressourcen und Mitarbeiter verfügen
  • Nationale Wettbewerbsbehörden sollen stärkere Durchsetzungsbefugnisse erhalten über die richtigen Instrumente zur Aufdeckung und Ahndung von Verstößen gegen die EU‑Wettbewerbsvorschriften verfügen. So will die Kommission z. B. gewährleisten, dass alle nationalen Kartellbehörden nicht nur die Befugnis haben, geschäftliche Räume zu durchsuchen und Unterlagen einzusehen, sondern auch Zugang zu elektronisch gespeicherten Daten erhalten. Allen nationalen Behörden sollen zudem angemessene Instrumente zur Verhängung abschreckender Sanktionen zur Verfügung stehen. Alle Mitgliedstaaten sollen daher auch Regeln zur Haftung von Muttergesellschaften bei Verstößen ihrer Töchter und zur Haftung des Rechtsnachfolgers vorsehen, um konzerninterne Umstrukturierungen zur Vermeidung von Bußgeldern zu verhindern.

Schaffung wirksamer Kronzeugenregelungen, die einen Anreiz für Unternehmen schaffen, in einem oder auch mehreren Ländern Beweise für rechtswidrige Kartelle vorzulegen. Der Entwurf sieht einheitliche Grundregeln (ECN Leniency Model) für die in den Mitgliedstaaten teilweise sehr unterschiedlich gehandhabten Kronzeugenprogramme vor. Ein One-Stop-Shop ist damit nicht verbunden.

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