Brexit
Wettbewerbspolitik
https://www.tagesschau.de/ausland/may-brexit-101.html
Exklusives Interview: https://www.thetimes.co.uk/article/may-fires-brexit-starting-gun-7hrtn6lvl (Bezahlartikel)
Am 1.Oktober 2016 hat die britische Premierministerin Theresa May erstmals in einem Zeitungsinterview mit der Sunday Times nähere Andeutungen zu dem im britischen Referendum befürworteten Ausstieg des Vereinigten Königreichs aus der EU angekündigt. Danach beabsichtigt May, das Austrittsverfahren gemäß Art. 50 EUV spätestens bis Ende März 2017 einzuleiten. Dabei äußerte sie die Einschätzung, der Brexit werde ein Gewinn für
Großbritannien sein und die von ihr geführte Regierung werde „einen Erfolg daraus machen“.
EU-Verordnungen sollen zunächst übernommen werden, später folgen Aufhebungen. Ein sogenanntes „großes Aufhebungsgesetz“ („Great Repeal Bill“) soll von der britischen Königin bei ihrer Thronrede im kommenden Frühjahr verkündet werden. Anschließend soll das Parlament über das Gesetz abstimmen. Gleichzeitig sollen die EU-Vorschriften in nationales britisches Recht umgesetzt werden. Erst nach und nach werde sich London von nicht erwünschten EU-Regelungen verabschieden. In Kraft treten soll das neue Aufhebungsgesetz erst, wenn Großbritannien aus der EU ausgeschieden ist.
Der britische Verkehrsminister Chris Grayling, der bislang als einer der führenden Brexit-Befürworter hervorgetreten ist, erklärte, Großbritannien werde auch nach dem Austritt an einigen EU-Gesetzen festhalten. Das gelte z. B. für Regelungen zu Arbeitnehmerrechten und Umweltschutz. Allerdings gebe es andere Regelungen, die man loswerden wolle. Was das für die Regelungen des Wettbewerbs- und Kartellrechts bedeutet, lässt sich jetzt noch nicht zuverlässig einschätzen.
Wettbewerbsregeln
Vorerst bleibt alles beim derzeitigen Rechtszustand, d.h. der Brexit wird nach Artikel 50 des EU-Vertrages erst wirksam mit dem Tag des Inkrafttretens des Austrittsabkommens oder spätestens zwei Jahre nach der Mitteilung der Regierung, Großbritannien beabsichtige, aus der Union auszutreten. Bis dahin gelten die primärrechtlichen Wettbewerbsregeln und alle sekundärrechtlichen Vorschriften uneingeschränkt weiter.
Mit dem Austrittabkommen oder zwei Jahre nach der Absichtserklärung sind Beschränkungen des Imports und des Exports in und aus der EU von und nach Großbritannien dann nicht mehr als Beschränkungen des „Handels zwischen Mitgliedstaaten“ zu werten. Allerdings wäre nach wie vor das „Auswirkungsprinzip“ zu beachten, wonach das EU-Wettbewerbsrecht auch auf solche Handlungen Anwendung findet, die in Drittstaaten vorgenommen wurden, jedoch Auswirkungen in der EU haben.
Parallel dazu wird unter Umständen britisches Wettbewerbsrecht zur Anwendung gelangen. Die materiellen Vorschriften (nicht das Verfahrensrecht) sind zu einem Großteil mit dem EU-Wettbewerbsrecht identisch.
In der Fusionskontrolle ist denkbar, dass künftig zahlreiche zusätzliche Anmeldungen in Großbritannien erforderlich werden könnten, die nicht mehr, wie zuvor, in der EU angemeldet werden könnten. Im Bereich des Kartellrechts besteht die Gefahr vieler Parallelverfahren auf europäischer und britischer Seite. Im schlimmsten Fall könnte dies zu Mehrfachbußgeldern für ein und denselben Wettbewerbsverstoß führen.
Im Beihilfenrecht würde das Korrektiv der EU-Kommission für (britische) wettbewerbsverzerrende staatliche Beihilfen wegfallen. Ein „level playing field“ wäre damit nicht mehr gegeben.
Weitere Schritte:
Die Ausstiegsverhandlungen müssen nach Art. 50 EUV spätestens innerhalb von zwei Jahren nach ihrem Beginn abgeschlossen sein, sofern die Frist nicht vom Europäischen Rat im Einvernehmen mit dem betreffenden Mitgliedstaat verlängert wird. Dazu, wie die Beziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU künftig ausgestaltet werden sollen, gab Premierministerin May noch keine Hinweise.